Weinprobe mit der Winzerinitiative „Gipfelstümer“ am Mittelrhein am 07.04.2016

Der Mittelrhein ist ein Weinbaugebiet geprägt von Steillagen (60 % mit mehr als 30 % Neigung), Schieferböden und Riesling (75 %).
Die Bewirtschaftung ist sehr arbeitsaufwendig, was sich aber im Preis nicht widerspiegelt.
Logische Konsequenz war, dass sich die Rebfläche von ca. 2.000 ha vor 100 Jahren enorm verkleinert hat. Hier einige Zahlen aus der Literatur:
1979  ca. 900 ha
1994  ca. 700 ha
2001        572 ha
2014       462 ha.
Kleiner ist nur noch die Hessische Bergstraße.

Die Nebenerwerbswinzer verschwinden immer mehr. Deren brachgefallene Rebflächen bedrohen u.a. die zum Weltkulturerbe erhobene Kulturlandschaft, die zu verbuschen droht.
Die verbliebenen Vollerwerbswinzer bewirtschaften im Schnitt um 10 ha.
Der meiste Wein wird am Mittelrhein selbst getrunken vorwiegend auch in den zahlreichen Ausflugsorten

Jetzt soll es wieder aufwärts gehen, der Mittelrhein soll langsam aus seinem Dornröschenschlaf herauskommen. Dafür engagiert sich eine neue, junge und bestens ausgebildete Winzergeneration (Geisenheim-Studium oder Weinbautechniker)
Hierfür stehen beispielhaft die „Gipfelstürmer“, die sich im Untertitel „Winzerinitiative Mittelrhein“, bestehend aus:
–   Felix Pieper vom Weingut Pieper, Königswinter (NRW),
–   Thomas und Martin Philipps vom Weingut Philipps-Mühle, St.Goar,
–   Sebastian Schneider, „Schneider – Das Weingut“, Bad Hönningen,
–   Christina Wagner, Weingut Wagner, Koblenz (inzwischen nach Österreich verzogen und damit ausgeschieden).

Die Winzerinitiative hat sich am 21.9.2009 bei Fischers in Köln gegründet.
Die Schlagworte sind:
–   Der Mittelrhein ist bedroht  (Mittelrhein heißt Steilhang – Steilhang heißt aufwändige Bearbeitung –   Aufwändige Bearbeitung heißt Abbau von Rebfläche (40% in den letzten 30 Jahren)
–   Rettet den Steilhang  (Rekultivierung alter Lagen – Höchste Qualität – Keine Kompromisse)
–   Echte Mittelrhein-Weine (Tiefgründige Mineralität – Vielschichtiges Bukett – Konzentriert Geschmackstoffe)
Wir waren gespannt, ob die Probe dieses selbstgesetzte Programm widerspiegelt und bestätigen kann.

Als Vertreter der Gipfelstürmer präsentierte uns Thomas Philipps seine und die Weine seiner Kollegen.

Wein No. 1   2014er Riesling Sekt brut  vom Weingut Philippsmühle, Qualitätssekt brut.
Der Sekt präsentierte sich sauber und relativ neutral. Er stammt aus einer Extra-„Sektlage“, d.h. einer Kabinett-Lage, die auch bei physiologischer Reife ein gutes Säurespiel bei wenig Alkohol aufweist.
Es wurde Ganztraubenpressung und Ausbau im Edelstahl durchgeführt.
Die Wertungen schwankten zwischen 13,0 und 15,5 und ergaben einen Mittelwert von 14,3 Punkten.
2011 und 2012 wurde noch nur ein Sekt von allen 3 beteiligten Weingütern erzeugt.

Wein No. 2  2014er Loreley Spätburgunder Blanc de Noir, Qualitätswein trocken vom Weingut Philippsmühle.
Die Trauben stammen aus Oberheimbach und St.Goar. Er präsentierte sich als frischer, unkomplizierter Sommerwein. Einige Weinbrüder konnten mit dem Wein wenig anfangen und werteten mit 12,0 Punkten, andere gaben ihm aber auch 15,0 Punkte, so dass eine Durchschnittswertung von 13,9 Punkten herauskam.
Bei den nächsten beiden Weinen wandten wir uns den weißen Burgundersorten, die inzwischen auch vermehrt angepflanzt werden, zu.

Wein No. 3  2015er Weissburgunder Qualitätswein trocken vom Weingut Sebastian Schneider.
Eine saubere, typische Nase mit Birne als Primärfrucht kennzeichnete diesen typisch 2015er Wein.
Die Trauben stammen aus Oberheimbach. Er wurde mit Reinzuchthefe im großen Holzfass ausgebaut. Bei einer Schwankungsbreite zwischen 13 und 15 Punkte ergab der Mittelwert 14,2 Punkte.

Wein No. 4  2014 Hönninger Am Münchberg Grauburgunder „S“,  Qualitätswein trocken vom Weingut Sebastian Schneider.
Der Wein wurde spontan vergoren, was sich in der Nase und auch im Mund bemerkbar machte und einigen nicht so richtig gefiel, andere empfanden ihn als fein und elegant mit allenfalls etwas kurzem Abgang. Daher schwankten die Wertungen zwischen 12 und 15/15,5 Punkten bei einem Mittelwert von 13,8 Punkten.

Wein No. 5  2015er Gewürztraminer & Riesling Königswinterer Drachenfels Qualitätswein trocken vom Weingut Pieper.
Obwohl die übliche Cuvée aus 60% Gewürztraminer und 40% Riesling besteht, fiel bei diesem Wein eine kräftige Rieslingsäure im Vordergrund verbunden mit verhaltenen Traminernoten mehr im Hintergrund auf. Die Wertungsnoten bewegten sich zwischen 12,5 und 15 bei einem Schnitt von ebenfalls 13,8 Punkten.

Wein No. 6  2014er Riesling „Alte Reben“ Qualitätswein trocken vom Weingut Sebastian Schneider.
Bei neutraler, sauberer Rieslingsnase war eine schöne Mineralik zu schmecken.
Die Trauben stammen aus einem 40-59 Jahre alten Weinberg aus Oberheimbach.
Die Wertungen lagen relativ dicht zusammen zwischen 13,5 und 15,5 Punkten, was rechnerisch einen Durchschnitt von 14,3 Punkten ergab.

Wein No. 7   2013er St.Goarer Frohwingert Riesling Qualitätswein trocken vom Weingut Philippsmühle.
Der Wein präsentierte sich sehr reif mit leichten Petrolnoten, was zu einer kontroversen Diskussion führte. Er hatte Frucht und Kraft.
Der Frohwingert ist die beste lokale Einzellage und ist teilweise mit 40-50 Jahre alten Reben, teilweise mit 2005 angepflanzten Reben bestockt. Wer den Petrolton nicht mochte, wertete ihn um die 13,0 Punkte, die Freunde dieses typischen Tons für reife Rieslinge gingen bis 16,0 oder sogar 16,5 Punkte. Der Durchschnitt pendelte sich bei 14,8 Punkten ein.

Wein No. 8  2015er Riesling Königswinterer Drachenfels „Rüdenet“ Qualitätswein trocken vom Weingut Pieper.
Obwohl spontan vergoren gefiel dieser junge Wein doch allgemein. Er spiegelte die Minera-lik des Drachenfels-Trachyts wieder. Rüdenet ist eine alte Gewannbezeichnung, die wieder auflebt. Es ergab sich eine recht harmonische Bewertung zwischen 14,5 und 16,0 Punkten, was mit 15,1 Punkten zur besten Durchschittswertung des Abends führte.

Wein No. 9  2014er St.Goarer Burg Rheinfels Riesling Qualitätswein halbtrocken vom Weingut Philippsmühle.
Der Restzucker von 16,4 gr/L führte zu einer fruchtigen Rieslingnase mit Honignoten.
Die Reben wachsen auf 100% Schiefer. Hier schieden sich die Freunde des etwas lieblicheren Weines, die bis 15,5 Punkte vergaben, von den Trockenliebhabern, die nur mit 13,0 Punkten werteten. Der Durchschnitt ergab 14,4 Punkte.

Wein No. 10  2014er Hönninger Am Münchberg Riesling „S“,  Qualitätswein feinherb vom Weingut Sebastian Schneider.
Feinherb hieß bei diesem Wein 26 gr/L Restzucker. Auch hier gingen die Trockenfans bis auf 12,5 Punkte herunter, wogegen die Liebhaber des auch mal etwas süßeren Tropfens bis 15,0 Punkte vergaben. Im Schnitt kamen 14,2 Punkte heraus.

Wein No. 11  2015er Königswinterer Drachenfels Riesling Qualitätswein Spätlese vom Weingut Pieper.
Ein spontan vergorener Wein mit deutlichen Honignoten, dessen 80,7 gr/L Restzucker deutlich schmeckbar waren. Ein typischer Digesthiev-Wein, von dem man nicht allzu viel trinkt. Die Wertungen zwischen 13,0 und 15,5 Punkten zeigten wieder die Präferenzen auf, wobei eine bemerkenswerte Zahl der Koster mit glatten 15,0 Punkten sehr einheitlich wertete. Der Durchschnitt lag bei 14,6 Punkten.

Zum guten Schluss ein gereifter Rotwein, aber kein „Drachenblut“:
Wein No. 12  2012er Rhöndorfer Drachenfels Qualitätswein Spätburgunder trocken vom Weingut Pieper.
Etwas schwierig nach dem süßen Vorgänger war die Spätburgunder zu verkosten, aber Ehre, wem Ehre gebührt: Dieser 12 Monate im Barrique gereifte Spätburgunder fand seine Würdigung. Mit 15,0 Punkten im Schnitt erzielte er die zweitbeste Wertung des Abends, wobei das Gros der Wertungen zwischen 14,0 und 16,0 Punkten lag.

Als Fazit kann man festhalten, dass alle Weine den selbst gesetzten Anspruch erfüllten. Es ist schön, dass es außer der knappen Handvoll bekannter „Spitzenwinzern“ am Mittelrhein jetzt Nachwuchswinzer gibt, die eine solch hohe Qualität erzeugen und das zu verbraucherfreundlichen Preisen.

Zu den 3 beteiligten Weingütern:

Philipps-Mühle, St.Goar
Das heutige Weingut war ursprünglich eine Mühle, die erst kürzlich nach langen 781 Jahren Betrieb geschlossen werden musste, da mittlerweile keinen der Abnehmerkreis für handwerklich vermahlenes Mehl zu klein geworden ist. Der Vater der Brüder Thomas und Martin Philipps war noch hauptsächlich Müller.
Von ursprünglich nur 0,2 ha für den Eigenbedarf ist das Weingut mittlerweile auf ca. 5 ha Rebfläche in St.Goar und Oberheimbach angewachsen, größtenteils auf Devonschieferböden im Steilhang. Sie sind mit 90% Riesling und 10% Müller-Thurgau bestockt.
Gegen den Trend werden in den kommenden Jahren weiter Weinbergsbrachen rekultiviert, um die jahrtausendealte Weinbautradition der Region zu bewahren.
Im Weingut wird eine Winzerschenke und an der Loreley eine Vinothek betrieben.

Weingut  Sebastian Schneider – Schneider das Weingut, Bad Hönningen
Das Weingut ist eine Neugründung aus 2006. Der elterliche Betrieb, das Stadtweingut Bad Hönningen (8,5 ha) musste aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben werden.
Nach der Lehre im elterlichen Betrieb erweiterte er seine Erfahrungen bei Dönnhoff und arbeitete  u.a. bei Markus Molitor, wo er auch in die Geheimnisse der Spontangärung eindrang. Er machte seinen Abschluss als Weinbautechniker in Bad Kreuznach. Heute arbeitet er als Betriebsleiter in der WG Meddersheim / Nahe.
Ausgehend von 1 ha in Hönningen bewirtschaftet er bzw. lässt inzwischen ein Panoptikum von Flächen in Ober- und Niederheimbach und Boppard bewirtschaften, insgesamt 2,5 ha mit steigender Tendenz. Das Rebsortenspektrum umfasst neben Riesling   Grau- und Weissburgunder sowie Müller-Thurgau (Rivaner) und etwas Spätburgunder. Diese weite Streuung der Lagen zwischen Mäuseturm und Siebengebirge stellen eine logistische Herausforderung dar.

Weingut Pieper, Königswinter („Ihr Siebengebirgswinzer“)
Das Weingut Pieper ist einer von 3 Vollerwerbswinzern in Nordrhein-Westfalen. Von den 24 ha im Siebengebirge in NRW bewirtschaftet das Weingut allein über 9 ha. Bekannt ist die Gutsschänke „Jesuiter-Hof“ mitten in Königwinter, einem Tourismus-Hotspot am unteren Mittelrhein. Dazu gehören zur erweiterten Familie u.a.  das wunderschöne Haus „Drachenloch“ und das „Weinhaus am Domstein“ in Rhöndorf. Bekannt sind der Rotwein „Drachenblut“ und das Cuvee „Guerilla“. Die Weine gedeihen rund um den Drachenfels auf Trachytböden, der Stein, aus dem u.a. die mittelalterlichen Teile des Kölner Doms gebaut sind.
Wer die NRW-Weine verfolgt hat, konnte feststellen, dass speziell das Weingut Pieper einen Qualitätssprung gemacht hat, seit Felix Pieper nach Absolvierung der FH Geisenheim für die Weine verantwortlich ist.
Das Rebsortenspektrum ist recht breit. Neben Riesling werden Burgundersorten und Chardonnay, Sauvignon Blanc, gelber Muskateller, Kerner, Gewürztraminer, Ehrenfelser, Scheurebe und Portugieser angebaut. Chardonnay und Spätburgunder werden auch im Barrique ausgebaut. Auch Sekte werden angeboten.
Die meisten Weine werden in nahen Umkreis von Königswinter vertrieben.

Verfasser: Wilfried

2016_04_Gipfelstürmer Probenergebnis


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