Die Loire, das unbekannte Wesen, so könnte man unsere Probe bezeichnen. Was fällt einem zu Loire ein ? Muscadet zu Meeresfrüchten oder Sauvignon blanc aus Sancerre und Pouilly Fumé. Und sonst ? andere Rebsorten ? Rotweine ?
Inzwischen gibt es auch kaum noch Weinhändler, die ein umfangreicheres, repräsentatives Angebot an Loire-Weinen haben.
Neben einigen, bekannten, großen Winzern, die außerhalb von Frankreich gut vertreten sind, gibt es eine Vielzahl an kleineren Winzern, die sehr individuelle Weine ausbauen und die dashalb oft nicht dem Mainstream-Geschmack entsprechen. Daher sind diese Weine in Deutschland auch nur schwer zu bekommen.
Unsere Probe begann an der Loire-Mündung, ging dann bis zum Oberlauf der Loire und wieder zurück zum mittleren Teil der Loire.
Die Domaine L’Ecu ist zertifiziertes Eco-Weingut in der Appellation Muscadet und baut mehrere Lagenweine aus, die sich alle durch kleine Erträge, Spontanvergärung und lange Hefelagerung (sur lie) auszeichnen. Unser „Expression d’Orthogneis“ steht auf Orthogneis mit einer Sand-Lehm-Auflage.
Das war ein Muscadet, der ungewohnt voll und kräftig und mit einer Frucht nach grünen Stachelbeeren und Birne daherkam.
Weiter ging es mit drei Sauvignon blanc. Aus dem weniger bekannten Gebiet der AOC Touraine kamen von der Domaine Clos Roche Blanc (ein von Ecocert biozertifizierter Betrieb) die ersten beiden Weine, ein 2008’er und ein 2005’er Sauvignon blanc „No 5″ Das Lesegut stammt von bis zu 100 Jahre alten Reben. Die Weine werden in großen Holzfässer ohne Malolactic ausgebaut. Sie wirkten beide etwas streng und konzentriert, so wie man einen Sauvignon blanc nicht unbedingt erwartet.
Der 2008’er ist seit dem Frühjahr schon deutlich weicher und runder geworden, aber immer noch etwas streng. Der 2005’er zeigte altersgemäß einen etwas dumpfen, breiteren Ton in der Nase, aber im Mund wirkte er fast so frisch wie der 2008’er.
Der dritte Sauvignon blanc aus dem bekannten Gebiet Sancerre stammt von der Domaine Crochet. Er wirkte leicht reduktiv durch die längerer Lagerung auf der Feinhefe, was aber nicht störte. Obwohl es „nur“ der Basis-Wein war, konnte er durch seine dichte, klare, vollreife und Sauvignon blanc-typische Art gefallen. Sicher nicht ohne Grund gilt Francois Crochet als einer der bestenWinzer in der AOC Sancerre.
Dann ging es zur zweiten großen Weißweinsorte der Loire, dem Chenin Blanc. Diese Rebsorte ist weit weniger bekannt als der Sauvignon blanc, bringt aber trocken ausgebaut interessante und sehr lagerfähige Weine. Und wenn man die geeigneten Weine mit Restsüsse ausbaut, kann man sehr elegante, finessenreiche edelsüße Weine gewinnen.
Der Saumur „Les Perrieres“ der Domaine St. Just zeigte sich schon sehr zugänglich, zart mineralisch und fruchtig mit deutlichem Apfelton. Die Eigentümer der Domaine sind Quereinsteiger, die erst seit 1996 das Weingut besitzen.
Mit durchschnittlich 42 hl/ha halten sie die Erträge zu Gunsten einer entsprechenden Qualität sehr gering.
Der zweite Chenin blanc stammt aus der nur 140 ha großen Appelation Savennieres, südwestlich von Angers. Der Produzent Eric Morgat, aus einer alten Winzerfamilie, bewirtschaftet nur drei Parzellen auf Schieferboden mit insgesamt 5 ha. Daher produziert er auch nur einen Wein. Den Ertrag hält er mit ca. 25 hl/ha sehr gering. Nach einer Maischegärung erfolgt der weitere Ausbau in Barriques.
Wir hatten leider zwei deutlich unterschiedliche Flaschen, die eine etwas oxidiert und dumpf, die andere weicher, runder, aber ebenfalls etwas dumpf in der Frucht.
Der dritte Chenin blanc, ein 2007’er „Les Bournais“ kam aus der gleichnamigen Spitzenlage der AOC Montlouis östlich von Angers. Der Winzer Francouis Chidaine produziert seine Weine inzwischen biodynamisch in den beiden nebeneinander liegenden Appelationen Vouvray und Montlouis. Als 2007’er wirkte der Wein inzwischen schon recht reif mit einem leichtem Feuerstein-und Zündholz-Ton. Trotzdem gewann der Wein an der Luft und wurde noch klarer und fruchtiger.
Als letzen Chenin blanc hatten wir einen weiteren „Exoten“ von der Ferme de la Sansonniere. Eigentlich stammt der Wein aus der Appellation Anjou, aber der Besitzer, der Korse Marc Angeli ist einer der Querköpfe an der Loire und hat sich mit dem Appellations-Komitee überworfen. So füllt er seine Wein „nur“ als Tafelwein ab. Die Erträge sind extrem niedrig – teilweise bis 9 hl/ ha – und er schwefelt den Wein nicht sondern versiegelt die Korken stattdessen mit Wachs. Wir hatten leider wieder zwei deutlich unterschiedliche Flaschen, mit Tönen nach Holzapfel und Rosinen, die beide – nicht unerwartet durch den fehlenden Schwefel – oxidierte Töne zeigten.
Neben Weißweinen werden natürlich auch Rotweine im Gebiet der Loire produziert.
Wir starteten hier mit dem „La Rouge Gorge“, dem „Rotkehlchen“ der Domaine Belleviere. Es ist ein Wein aus der sehr seltenen Rebsorte Pineau d’Aunis und kommt aus der AOC Coteaux de Loir, die am gleichnamigen Nebenfluss der Loire liegt. Der Ertrag ist mit 25 hl/ha wieder sehr niedrig, der Ausbau erfolgt in 300- 500 l Holzfässern. Seit 2008 arbeitet das Weingut komplett biodynamisch. Ein interessanter, ungewohnter Rotwein: Im Mund ein leichter Sauerkirschton mit Kräutern und weißem Pfeffer.
Dann ging es mit zwei Cabernet Franc-Weinen zur roten Hauptrebsorte der Loire:
Aus der AOC Bourgeuil kam das „Cuvee des Galichets“ der Domaine de la Chevalerie als erster Wein. Die 35 – 40 Jahre alten Reben wachsen auf Kalkstein mit Lehmauflage.
Ein typischer Cabernet Franc aus Bourgeuil mit festen, etwas kantigen, aber reifen Tanninen. Das „Cuvee des Galichets“ ist der fruchtigste Rotweine der Domaine, unterstützt durch den Einsatz der Maceration Carbonique.
Der zweite Cabernet Franc kam von der linken Seite der Loire, aus der AOC Chinon, von der Domaine Alliet als „Vieilles Vignes“. Hier wachsen die ca. 65 Jahre alten Reben auf kiesigem Boden. Der Ausbau erfolgt in 5 Jahre alten Barriques, um den Holzeinfluß so gering wie möglich zu halten – daher auch ein leichter Bretanomyces-Ton („Pferdedecke“).
Auch hier konnten wir wieder einen typischen, dichten, aber auch eleganten Loire-Cabernet Franc mit festen, etwas schokoladigen Tanninen verkosten.
Nach den tanningeprägten Rotweinen probierten wir als Übergang auf edelsüße Wein den restsüßen „Rosé d’un jour“der schon bekannten Ferme de la Sansonniere. Er ist wieder aus einer exotischen Rebsorte, der Grolleau, gewonnen. Die Maischestandzeit betrug einen Tag – wie der Name schon andeutet – und auch er ist nur ein Tafelwein. (s.o.) Ein interessanter Rose mit dichter, klarer Frucht und zarter Süße.
Den Abschluss machte ein edelsüßer Chenin blanc, der „Les Quarts“ aus der Coteau du Layon von der Domaine Juchepie. Der belgische Industrielle Eddy Osterlinck hat die Domaine vor einiger Zeit gekauft und produziert diesen edelsüßen Wein mit 180 g/l Restzucker aus 50 Jahre alten Reben. Im Holzfass wird vergoren und dann zur Reifung 10 bis 22 Monate im Barrique gelagert. Dadurch erhält der Wein eine zarte Herbe, die ihm Raffinesse gibt, so dass er trotz seiner hohen Restsüße nicht pappig süß wirkt.
Alles in allem war diese Loire-Verkostung sicher dieses Jahr die Probe, die die Verkoster am stärksten gefordert hat. Unbekannte Rebsorten und sehr eigenständige Weinstile, auf die das Gewohnte oft nicht passte, machten das Verkosten schwierig. Da blieb nur der eigene Geschmack zur Bewertung, weil ein direkter Vergleich mit bekannten Weinen fehlte. Das führte natürlich dazu, dass die Wertung mit 2 bis 3 Punkten deutlich stärker streute als sonst.
Aber das ist ja der Sinn solcher Verkostungen, dass man sein Weinwissen auch abseits der ausgetretenen Pfade erweitern kann. Mit Herrn Thomas Beyelschmidt, der den erkrankten Martin Henseler von der Weinhandlung „Fegers und Berts“ vertrat, hatten wir einen kompetenten Referenten, der auf lockere Art versuchte, uns die sehr individuellen Loire-Weine näher zu bringen. Ich hoffe, dass ihm das bei den meisten der Anwesenden gelungen ist.
Vielen Dank dafür !
Verfasser: Dieter