Wir befinden uns im Jahre 2010. Ganz Baden ist bewachsen von Burgunder- und Riesling-Reben. Ganz Baden ? Nein ! Das von unbeugsamen Winzern bevölkerte Dorf Ihringen im Kaiserstuhl hört nicht auf, diesen „neumodischen“ Rebsorten Widerstand zu leisten und hält eisern am Silvaner fest. Und einer ihrer Häuptlinge ist Joachim Hegerix.
Das klingt nach Asterix und Obelix und weniger nach einer Weinprobe. Aber an diesem Abend ist der Winzer Joachim Heger trotz Schnee und Eis zu uns gekommen, um uns zu zeigen, welches Potential in dieser – inzwischen etwas verkannten -Rebsorte steckt.
So war keinem von uns bekannt, dass die Gemeinde Ihringen immer noch die größte Anbaufläche an Silvaner in Deutschland hat und dass die dortige Winzergenossenschaft der größte deutsche Silvaner-Erzeuger ist. Der Ruf des Silvaners hat sicher in der Vergangenheit gelitten, da er lange als Verschnitt-Komponente dazu diente, saurem Riesling die schlimmste Säure zu nehmen und ihm wenig Eigenständigkeit zugebilligt wurde..
In Franken und Rheinhessen haben intensive Bemühungen der dortigen Winzer inzwischen dazu geführt, dass sich sein Ruf verbessert hat, in Gesamt-Baden ist das nicht unbedingt der Fall. Er ist hier nicht so stark verbreitet und hat mit Riesling und den Burgunderreben eine sehr starke Konkurrenz. Um das wenigstens im Kleinen zu ändern, war Joachim Heger zu uns gekommen.
Die Rebsorte bietet am Kaiserstuhl recht gleichmäßige Qualität über gute und schlechte Jahre, aber einfach ist sie trotzdem nicht. Sie braucht gute, nicht zu leichte Lagen, die ausreichend Nährstoffe bieten, aber auch gut entwässert sind, da die Reben sonst zu Chlorose neigen. Wenn die Rebe – später als die meisten anderen Rebsorten – sich doch noch entscheidet, eine Laubwand auszubilden, erfordert sie intensive Laubarbeit, damit die Erträge nicht zu hoch werden und ärgert den Winzer danach durch vermehrte Bildung von Geiztrieben. Und dann will sie auch noch lange reifen, wenn ihre Weine nicht unreife, grasige Töne bekommen sollen.
Aber genug der Theorie, schließlich muss der Wein auf der Zunge seine Qualitäten zeigen.
Unsere Probe begann mit zwei Silvanern aus der Basis-Linie „Oktav“ vom Weinhaus Heger. Für diese Linie werden neben eigenen Trauben auch die von Vertragswinzern bezogen. Sie stammen von Lössböden aus der Lage Ihringer Fohrenberg.
Der 2007’er zeigte sich schon reifer, runder, der 2008’er dagegen konnte durch Frucht und Frische punkten. Mit 6,5 g/l besitzt er für einen Silvaner eine recht hohe – aber angenehme – Fruchtsäure.
Dagegen standen zwei Silvaner Kabinettweine vom Ihringer Winklerberg der Winzergenossenschaft. Da die Reben dort seit der Flurbereinigung in den siebziger Jahren stehen, sind ihre Erträge niedriger und die Mineralität ist höher, was beides der Qualität gut tut.
Hier gefiel der 2007’er durch eine recht runde, harmonische Art, während der 2008’er einen unsauberen Esterton zeigte.
Nach der Basis-Qualität kamen wir zu den „Parade-Silvanern“ aus dem Ihringer Winklerberg und Achkarrer Schlossberg. Beides sind Kernlagen und wurden glücklicherweise in den siebziger Jahren nicht mehr flurbereinigt. Die Rebstöcke stehen hier in steilen Terrassen auf Vulkangestein.
Den Auftakt machten zwei Kabinett-Weine vom Ihringer Winklerberg aus der alten Kernlage Bönischberg.
Der 2007’er wurde mit wilden Hefen in 600l-Fässern vergoren, und zeigt sich jetzt schon recht abgerundet. Der 2008’er wurde dagegen mit Reinzuchthefen und im großen Holzfass ausgebaut. Er wirkte etwas klarer und frischer. Die Meinungen, welcher Wein sich besser präsentiert, waren diesmal uneinheitlich. Allerdings fand der 2007’er etwas mehr Befürworter.
Dann kam eine 2008’er „3-Sterne-Spätlese“ vom Winklerberg. Die drei Sterne stehen hier als Kennzeichnung für alte Reben. Dieser Weinberg wurde 1962 bepflanzt und in der Parzelle, aus der die Trauben stammen, hat der Weinberg 55% Steigung. Noch etwas jung mit leichten Bittertönen, zeigte er sich aber als komplexer, mineralischer Silvaner. Ein Spitzenwein, den wir in dieser Qualität nicht erwartet hatten.
Wer gedacht hatte, solch ein Silvaner lässt sich nicht übertreffen, der wurde jetzt positiv überrascht. Das schaffte die nachfolgende 2008’er „3-Sterne-Spätlese“ vom Achkarrer Schlossberg. In dieser Parzelle sind die Reben noch älter: 1949 gepflanzt und damit aus dem ältesten Weinberg Badens.
Eine derartige Mineralik, Dichte und Komplexität war erstaunlich. Anfangs noch verschlossen, öffnete er sich an der Luft immer stärker. Das war der Top-Wein des Abends.
Der ein Jahr ältere 2007’er Achkarrer Schlossberg zeigte ebenfalls diese ausgeprägte Mineralik und Komplexität. Im Vergleich zum 2008’er war schon sehr abgerundet und reifer und kam nicht ganz an die Komplexität und Mineralität des 2007’er heran.
Bedauerlicherweise werden das die letzten Jahrgänge bleiben. Durch den Befall vieler Weinstöcke in dieser Parzelle mit der Pilzerkrankung „Esca“ traten so starke Ausfälle im Weinberg auf, dass eine sinnvolle Bewirtschaftung nicht mehr möglich war und der Weinberg deshalb gerodet werden musste.
Den Beweis, dass Silvaner gut altern können, blieb uns Joachim Heger nicht schuldig. Der 2003’er Silvaner aus dem Ihringer Winklerberg (die „normale“ Spätlese und kein „Dreisterne“ Wein) präsentierte sich erstaunlich schlank und keinesfalls fett und breit. Alterstöne waren nicht zu erkennen. Für den Problemjahrgang 2003, der in Baden sehr oft fette, breite und alkohollastige Weine hervorgebracht hat, ein erstaunliches Ergebnis.
Und man kann Silvaner auch mit Restsüße ausbauen:
Die 2004’er Spätlese vom Achkarrer Schlossberg sollte eigentlich trocken vergoren werden, ist aber bei 11,7 g Restzucker/l stehen geblieben. Ein leicht süßer, recht dichter Silvaner, der aber nicht an die Finesse und Struktur der vorhergehenden trockenen Weine herankam.
Der letzte Wein war eine 2001’er Spätlese aus der gleichen Lage, diesmal gezielt restsüß vergoren und mit 26 g/l Restzucker deutlich süßer, konnte die „Trocken-Fraktion“ nicht so überzeugen, während die „Süßfraktion“ diesen Wein sehr hoch bewertete.
Es bleibt zu hoffen, dass die Ihringer Winzer weiter unbeirrt an ihrem Silvaner festhalten und nicht ihre Reben dem modernen Trend zu Burgundersorten opfern. Es wäre ein Verlust für die Geschmacksvielfalt der badischen Weine.
Als im Vorfeld bekannt wurde, dass in dieser Probe nur Silvaner – und nur von einem Winzer – vorgestellt werden sollten, haben viele gefragt, ob das nicht langweilig sei. Nach der Probe sind diese Stimmen verstummt. Allein die Paarung zwischen den jungen, frischeren 2008’er und den reiferen, runderen und weicheren 2007’er Silvanern brachte Spannung in die Probe, und die großen Unterschiede der Lagen taten ihr übriges dazu.
Für uns war dieser Abend ein sehr gelungener Probenauftakt des Jahres 2010. Die nachfolgenden Referenten werden es schwer haben, mit dieser Probe gleichzuziehen.
Verfasser: Dieter