Der Einfluss des Klimawandels auf unsere Rebsorten, Weinprobe am 15.07.2021

Für unsere Technikprobe konnten wie Herrn Reinhard Antes gewinnen, der in Heppenheim an der Bergstraße einen der wenigen in Deutschland noch vorhandenen Rebzuchtbetriebe leitet.

Der Betrieb wurde1952 durch seinen Vater Vinzenz Antes gegründet und 1994 an die Brüder Reinhard und Helmut Antes übergeben. Inzwischen arbeiten auch schon ihre Kinder mit. Der Betrieb wurde aufgespalten in die Reinhard und Helmut Antes GbR, die mit 48 ha der größte Weinbaubetrieb der hessischen Bergstraße ist und neben dem Weinbau auch Rebenveredlung, Unterlagenproduktion und Edelreis­produktion betreibt und die Antes Weinbau Service GmbH, die den Rebenverkauf weltweit betreibt. Dazu gehören auch Beratung, Planung, Projekt-Management und Ausführung. Es werden Edelreiser in eigenen Vermehrungsanlagen produziert und dafür Versuchs- Vergleichs- und Adaptionsanlagen betrieben. Über 400 Sorten und Klone sind im Anbau, dabei erlauben viele verschiedene Klone einer Sorte den direkten Vergleich der Klone, daneben sind über 100 historische Sorten in der Erhaltungszüchtung und auf 3,5 ha wird eine Piwi-Vergleichsanlage (für pilzwiderstandsfähigen Rebsorten) mit rund 75 verschiedenen neuen Piwi-Sorten betrieben.

Etwa 2500 Kunden werden betreut. Der Rebveredler stellt die Verbindung zwischen den Züchtern und den Winzern und umgekehrt dar. Dadurch besteht oft ein sehr langes Vertrauensverhältnis zwischen Winzer bzw. Weingut und dem Rebveredler.  Er muss dazu über die betrieblichen Besonderheiten des Weinguts Bescheid wissen. (Strategie, Marktposition des Weingutes, ist es ein Fasswinzer, ein Premiumwinzer bzw. ein Biobetrieb etc.), um eine gute Beratung leisten zu können.

Nun zum Thema Klimaveränderung:

Die Rebe stellt folgende Anforderungen an ihren Lebensraum: Jahresdurchschnittstemperatur: 9-13 °C
Winterdurchschnittstemperatur über 0 °C
Tiefste Wintertemperatur: ca. minus 20 °C
Durchschnittstemperatur während der Blüte (Juni): nicht unter 15 °C
Mittlere Juli-Temperatur: ca. 20 °C,
Jährliche Sonnenscheindauer: Mindestens 1300 Std, Optimum: 1700-2000 Std, davon während der Vegetation: 1100-1600 Std.

Diese Bedingungen werden in zwei Bändern entlang der gemäßigten und subtropischen Zonen der Erde erreicht.

Früher galt für die Nordhalbkugel der 30. Grad bis 51. Grad nördlicher Breite, heute ist das Band bis auf 58 Grad nördlicher Breite (Norwegen) verschoben.
Auf Grund der Meeresströmung des Golfstroms ist das Band auf der Nordhalbkugel breiter.

Für die Südhalbkugel galt früher der 30. bis 40. Grad südlicher Breite, heute ist das Band bis auf 45 Grad südlicher Breite (Neuseeland) verschoben.

Die einzelnen Rebsorten haben unterschiedliche Wärmeansprüche und daraus ergibt sich in Deutschland ein Band von 5-6 Wochen für die Reifezeiten z.B. für:
Müller-Thurgau:  Anfang September und damit wird bei uns jetzt zu früh reif
Cabernet Sauvignon: Ende Oktober, und damit wurde früher bei uns nicht reif.

Durch die Klimaerwärmung wandert der Weinbau nach Norden, bzw. in höhere Lagen und frühreifende Rebsorten sterben aus. Rebsorten aus südlicheren Gebieten können inzwischen auch bei uns gepflanzt werden und ausgereifte Trauben liefern.

Die gestiegenen Durchschnittstemperaturen in Deutschland haben zur Folge:
–  zu frühe Reife der Traube
–  zu frühe Fäulnis, weil es zur Reifezeit noch feucht und sehr warm ist
–  mehr Krankheiten, weil es wärmer ist,
–  mehr Extremereignisse, wie Trockenschäden durch fehlenden Regen und hohe Temperaturen, Unwetterschäden durch Regen, Sturm oder Hagel.
–  weniger Säure, weil es in der Reifezeit nachts zu warm ist und dadurch
auch geringere Haltbarkeit (Weißweine)
–  zu hohe Alkoholgehalte durch mehr Zuckerproduktion

Für die Rebzüchter ergeben sich folgende Möglichkeiten, auf die Auswirkungen der Klimaveränderung zu reagieren
–  Suche nach Klonen, die lockerbeeriger sind, festere Schalen haben oder später reifen.
–  Adaption von Rebsorten aus südlicheren Gebieten an unser Klima.
– Neuzüchtungen, die vor allem eine bessere Pilzresistenz zeigen.

Diese Möglichkeiten hat unser Referent versucht, an den nachfolgenden Weinen zu demonstrieren. Die Weine stammen alle von den Bergsträsser Winzer Eg, Heppenheim.

1.       2019  Bergsträßer Winzer, Goldmuskateller Sekt, trocken    

Ein goldgelber Sekt, in der Nase exotische Noten, reife Stachelbeere, Birne, Mirabelle, Citrus und sehr dezente Muskatnoten. Im Mund setzt sich das fort mit einer breiteren Frucht und etwas dienlicher Süße, aber auch frischer Säure. Ein würziger Sekt, der fast allen gefällt.
Goldmuskateller gehört wie der Gelber Muskateller zur großen Familie der Muska­teller. Im Vergleich zum Gelben Muskateller ist er etwas fäulnisfester, da die Trauben lockerbeerig, die Beerenhäute dickschalig sind und die Sorte etwa 14 Tage später reift als z.B. Riesling. Da die Rebsorte eine gute Säurestruktur hat und niedrigere Most­gewichte erreicht, eignet sie sich gut für Sektherstellung.

2.       2019  Heppenheimer Steinkopf, Rotling, „Botschafterwein“, feinherb  

Helles, gelbliches Rosa. Ein verhaltener Duft, aber im Mund recht saftig, Birne, Mirabelle­, Erdbeere, etwas Johannisbeere, Rhabarber und Grapefruit. Dazu kommen eine dezente Säure, leicht herbe Noten und eine etwas dienliche Süße.
Das Cuvée besteht aus einem spätreifenden, historischem Rebsatz, der aufgrund seiner späteren Reife mit der Klimaveränderung besser zurechtkommt.

3.       2019  Bergsträßer Rotwein, „Cuvee Melampus“   

Der Wein kommt mit einem hellen, gelblichen Rot in das Glas. In der Nase würzige Noten nach grüner Paprika, Kirsche, Brombeere, Cassis, am Gaumen recht intensive, etwas breitere Beerenfrucht mit frischer Säure und zarten Holznoten.
Diese Cuvée ist der erste Wein aus fünf innovativen, neuen Rebsorten, die durch das Weinbauinstitut Freiburg gekreuzt wurden. Die 5 Rebsorten wurden 2015 in einer Pilot-Fläche erstmals gepflanzt, und sind so neu, dass sie noch keinen Namen tragen.
Die hohe Pilztoleranz dieser Sorten ermöglicht weniger bis keine Fungizid-Sprit­zun­gen.

4.       2018  Bergsträßer Winzer, „Cuvee Centurio“

Dunkles Rubinrot, im Bukett Aromen von Pflaume, Schwarzkirsche und dunklen Beeren mit einer leichten Tabaknote, am Gaumen kommt eine weiche, frische Säure, ein festes, schokoladiges Tannin und leichte Rauchnoten vom Barrique-Ausbau dazu. Die Weichheit und Fülle des Merlots lässt nur noch wenig vom Spätburgunder erken­nen.
Hier haben wir eine Cuvée aus einer traditionellen Rebsorte und einer Rebsorte aus südlichen Gebieten.

5.       2018  Heppenheimer Steinkopf, Merlot, „Superior“ 

Ein intensives, dunkles Purpurrot zeichnet den Wein aus. Er zeigt ein weiches, fülliges Bukett nach Pflaume, Schwarzkirsche und Brombeere mit dezenten Holznoten, im Mund folgt dann ein klarer, kraftvoller Körper, mit angenehmer Säure, feiner Tannin­Struktur, sowie leichten Schokoladen- und dezenten Holznoten.
Merlot als südländische Sorte reift aufgrund der Klimaveränderung inzwischen auch in Deutschland aus.

6.       2020  Heppenheimer Eckweg, Roter Riesling, Kabinett, feinherb         

Helles Strohgelb im Glas, in der Nase viel grüner Apfel, Zitrus, Pfirsich, exotische Früchte, im Mund dann würzig mit zart Mineralität, frischer Säure und dezenter Süße. Im Gegensatz zum weißen Riesling zeigt die Rebsorte eine etwas breitere, fülligere Frucht.
Der Rote Riesling ist eine Mutation des Weißen Rieslings und war fast vollständig verschwunden. 1991 begann die Universität Geisenheim, den Roten Riesling züchterisch zu bearbeiten und 2002 konnte er wieder angepflanzt werden. Aus Marketing-Gründen wird gerne behauptet, dass der Rote Riesling die Urform des Rieslings ist, 2016 wurde aber durch verschiedene molekularbiologische Unter­suchungen nachgewiesen, dass der Rote Riesling eine Mutation des Weißen Rieslings ist (Presseinformation des Julius-Kühn Institutes vom 16.12.2016).
Die Weine des Roten Rieslings sind fast immer etwas kräftiger und stoffiger als die des Weißen Rieslings. Analytisch feststellbar ist ein 2 bis 3 g/l höherer zuckerfreier Extrakt. Bei weiterer Klimaänderung könnte der Rote Riesling Vorteile haben, da er mit seinen rötlichen Trauben wegen schützender Stoffe in der Beerenschale größerer Hitze bes­ser verträgt als der Weiße Riesling mit seinen hellen Trauben.

7.       2020  Heppenheimer Steinkopf, Rosa Chardonnay, Spätlese  

Helles Grüngold, sehr aromatisch im Bukett, Birne, exotische Früchte, Birne, Grapefruit, eine Spur Honigmelone. Im Mund breiter, aber recht ausgewogen, würzig süßliche Früchte mit angenehmer Säure und leichter Restsüße.
Die Chardonnay-Variante ist eine lockerbeerige Selektion von Klonen mit robusterer, roter Beerenschale. Diese Variante könnte bei weiterer Klimaänderung Vorteile haben, da sie wegen schützender Stoffe In der Beerenschale größerer Hitze besser wider­stehen kann als weiße Trauben.

8.       2019  Heppenheimer Schlossberg, Grauburgunder, Spätlese

Helles Gelb, Duft nach gelben Früchten, Honigmelone, Birne und Banane, im Mund recht dicht und füllig, sehr weich und zart cremig mit sehr dezenter Säure.
Diese traditionelle Sorte ist eine Selektion von kleinbeerigen, lockerbeerigen Klonen, die sich nicht abdrücken und daher weniger leicht faulen. Damit kann die Rebsorte auch in Zukunft noch bestehen.

9.       2019  Heppenheimer Schlossberg, Souvignier Gris, Spätlese

Helles Gelb, feiner Duft nach gelben und exotischen Früchten, im Mund recht würzig, stoffig mit sehr weicher Säure und mehr Restsüße. Der Wein zeigt neutralere, burgunderartige Frucht wie Grauburgunder und in Anklängen auch etwas wie ein Chardonnay, ist aber breiter und es fehlt etwas Eleganz.
Souvignier Gris ist eine Kreuzung Cabernet Sauvignon als (als Muttersorte, ♀) und Bronner als (als Vatersorte, ♂), der wiederum aus der Kreuzung von Merzling (als Muttersorte, ♀) × Gm 6494 (als Vatersorte, ♂) entstanden ist.
Diese Neuzüchtung kann den Grauburgunder in Zukunft vielleicht ersetzen, da sie lockerbeerig ist und daher eine gute Toleranz gegenüber Pilzkrankheiten besitzt. Vorteilhaft ist auch ein sehr langes Erntefenster, sodass vom Qualitätswein über Kabinett und Spätlese bis zu Eiswein alle Weintypen abgedeckt werden können. Im Charakter sind die Weine kräftig-stoffig, meist neutraler oder nur leicht fruchtig.

10.     2018  Heppenheimer Stemmler, Solaris, Auslese    

Helles Gelb, würziger, exotisch-fruchtiger Duft nach reifer Stachelbeere, Birne, Mirabelle, im Mund dann würzige, vollreife Frucht, wieder Birne, Mirabelle, reife Stachelbeere, dazu feine Säure und angenehme Süße. Als Auslese zeigt der Wein eine leichte Botrytis-Note.
Solaris wurde 1975 am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg aus den Sorten Merzling (als Muttersorte, ♀) und Gm 6493 (als Vatersorte, ♂) gekreuzt. Sie hat eine hohe bis sehr hohe Toleranz gegenüber Pilzkrankheiten und eignet sich für die Verwendung als Federweißer, für trockene sowie für edelsüße Weine. Sie ist universell einsetzbar z.B. bei hohem Peronospora-Druck, auch in Lagen über 1000 m Höhe (Südtirol und Trento) und ist deshalb in Nordeuropa (Dänemark, Schweden und Norwegen) Kultsorte geworden.

11.     2018  Heppenheimer Stemmler, Auslese     

Helles Gelb, würzig exotisches Bukett, Birne, reifer Apfel, Birne und ein zarter Muskat­ton, am Gaumen dicht und würzig, Holunder, mit feiner Säure und deutlicher, ange­nehmer Süße.
Muscaris wurde 1987 am Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg aus den Sorten Solaris (als Muttersorte, ♀) und Gelber Muskateller (als Vatersorte, ♂) gekreuzt. Sie hat eine hohe bis sehr hohe Toleranz gegenüber Pilzkrankheiten und eignet sich für Perlweine wie auch für Appetitiv- und für hochwertige Dessert-Weine.

12.     2020  Heppenheimer Stemmler, Souvignier Gris, Eiswein

Hell bernsteinfarben, würziges, vollreifes Bukett, viel gelbe Früchte, am Gaumen sehr sauber und dicht, aber etwas breiter und fülliger, wieder viel gelbe Früchte, Birne, Mirabelle, Aprikose, reife Stachelbeere. Der Wein zeigt eine deutliche Süße, die aber durch die frische Säure gut kompensiert wird.
Die Rebeigenschaften sind wieder dieselben wie bei Nr. 9, dem Heppenheimer Schlossberg.

Damit waren wir am Ende der Verkostung angekommen, in der uns Herr Reinhard Antes einen kleinen Ausblick auf Aufgaben der Rebveredler und die mögliche Zukunft des Weinbaus in Deutschland gegeben hat. Wir möchten ihm ganz herzlich danken für seine Präsentation zum Einfluss des Klimawandels auf unsere Rebsorten.

Verfasser: Dieter


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