8.3.2012 Blindprobe „Deutsche Rotweinrebsorten“

Wie zuverlässig sind die Zungen der Weinbruderschaft, wie sicher das Urteil?

Auch wenn es in Deutschland fast 140 Rebsorten gibt, entfallen nur gut 30 auf Rotweine.
Für Spätburgunder und Dornfelder als flächenstärkste Rebsorten bestanden gute Chancen, erkannt zu werden. Gleiches konnte man auch vom Lemberger, Portugieser und Schwarzriesling erwarten.
Wie steht es aber um die Neuzüchtungen wie Domina, Regent oder die Cabernet Varianten wie den Cabernet Cubin, den Cabernet Mitos? Und wer kennt und erkennt die Rebsorte „Urban“?

Das Probenblatt mit der Anzahl der Weine war verteilt, Rebsortenvorschläge ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Präsenz lag vor, die Probe konnte beginnen.

Doch nicht jeder rote Wein ist ein Rotwein. So führte der fruchtige, mit deutlicher Restsüße versehene 2010 Rotling des Würzburger Juliusspitals zu vielen Mutmaßungen.
Mit seiner Zusammensetzung aus 30% Dornfelder und Regent zusammen mit 70% Müller-Thurgau und Bacchus war der Wein eigentlich in dieser Probe fehl am Platz. Andererseits regte er zu lebhaften Gesprächen an und stellte die eigene Erfahrung auf den Prüfstand.

Es folgte ein 2009 Lauffener Katzenbeisser Schwarzriesling halbtrocken des Heilbronner Weinguts Drautz-Able.
Ein leichter Wein, dem aber seine Zugehörigkeit zur Burgunderfamilie anzumerken war.

Als nächsten Wein galt es eine 2009 Domina QbA der Winzergenossenschaft Divino aus Nordheim zu erkennen.
Als Neuzüchtung mit den Eltern Portugieser und Spätburgunder zeigte der Wein eine kräftige, dunkle Farbe, Beerenaromen und eine ausgeprägte Säure.

Der vierte Wein, ein 2009 Ahr-Regent der Winzergenossenschaft Mayschoß präsentierte sich mit deutlichem Tanningerüst und, wenn man den Wein etwas länger im Glas stehen lässt, mit einem dichten Cassis Aroma.
Der Regent wird seinem Ruf als erfolgreiche Neuzüchtung mit fast südländischem Temperament gerecht. Ich denke, diese Rebsorte hat Potential und ich bin auf den Wein gespannt, der aus älteren Rebanlagen und konsequenter Mengenreduzierung gewonnen wird. Wenn ich die Zeichen richtig deute, wird an der Ahr bereits daran getüftelt.

Wein Nummer 5 führte uns wieder auf bekannteres Gebiet. Es galt einen Merlot in der Herxheimer Honigsack Spätlese 2009 des Weinguts Petri aus Herxheim/Pfalz zu erkennen. Mit seiner dunklen Farbe und einem an Pflaume erinnerndem Aroma war der Wein sortentypisch, wirkte aber noch recht rau und ungeschliffen. Vielleicht noch zwei Jahre, und er findet auch die Geschmeidigkeit, die einen Merlot auszeichnet.

Bis hierher war die Probe bereits eine Achterbahn der Gefühle. Die Sicherheit, die bei Weißweinen vorhanden ist, fehlt bei den bisherigen Weinen. Waren die ausgewählten Weine zu untypisch? Sie boten jedenfalls Anlass zu lebhaftem Gedankenaustausch.

Die beiden folgenden Weine zeigen, wie sehr die Lage und Handschrift des Winzers die Wahrnehmung einer Rebsorte bestimmen können.

Die Weine Nr. 6 und Nr. 7 waren Dornfelder; Nr. 6, Herxheimer Honigsack 2008 vom Weingut Petri und Wein Nr. 7, ein 2008 Dornfelder vom Weingut Deutzerhof in Mayschoß.
Zeigte sich der Pfälzer Dornfelder fruchtig, rund und unkompliziert, so komplex und dicht kam der Ahrwein daher. Alte Reben, drastische Ertragsreduzierung und eine 18 monatige Reife im neuen Barrique ergaben einen Wein, tiefdunkel in der Farbe, dunkle Beeren und Vanille mit langem Nachhall – Chapeau!

Von der folgenden Rebsorte hätte man erwarten können, dass sie sich leicht, fruchtig, vielleicht sogar ins rosa gehend präsentiert.

Nicht so der Portugieser in Markus Schneiders Rotwein „Alte Reben“ 2009 aus Ellerstadt.
Mit 91° Grad Öchsle und einem Alkohol von 14,25% war dieser kein Leichtgewicht. Ein Portugieser mit einer Tanninstruktur, reife dunkle Beeren, und einem eleganten langen Abgang zeigte, wozu diese Rebsorte fähig ist.

Die Weine Nr. 9 und Nr. 10 führten uns wieder zurück auf sicheres Terrain, galt es doch den Spätburgunder zu erkennen.
Dass aber eine Auslese nur und ausschließlich im Edelstahltank ausgebaut wurde, überraschte dann doch.
Aber so geschehen mit der 2009 Ahr-Spätburgunder Auslese der Mayschosser Winzergenossenschaft.
Mit 99° Öchsle und 13,5% Alkohol präsentierte sich ein fruchtbetonter, sehr komplexer Wein. Ein sehr klarer, sortentypischer Spätburgunder von der Ahr, duftig in der Nase, mit einer schönen Frucht und langem Abgang,

Den Gegenpart hierzu spielte die 2009 Assmannshäuser Höllenberg Spätlese des Kloster Eberbach.
Ein starker Wein, fast würzig zu nennen mit Vanille, Beeren und Sauerkirsche – ein großer Rheingauer und schöner Kontrapunkt zum vorangegangenen Ahrwein.

Es folgte wieder ein Schwenk in die Pfalz zum Weingut Thomas Hensel in Bad Dürkheim und seinem Merlot „Höhenflug“ 2009.
An anderer Stelle wird dieser Wein mit vielen Attributen beschrieben: „röstiges Bouquet von Kirschen, Heidelbeeren, Pflaumen, Mokkatöne und langer aromatisch-würziger Abgang“.
Das eine oder andere findet sich auch in dem verprobten Weinen wieder. Sicher aber ist, dass es sich bei diesem Wein um einen großartigen Wein handelt, und, er wurde sogar von einer Weinschwester, und nur von ihr, als Merlot erkannt.

Die Zielgerade vor Augen, galt es nun eine weitere Neuzüchtung zu erkennen.
Die Zugehörigkeit zur Cabernet-Familie wurde richtig erkannt, aber welcher Spross war es?

Des Rätsels Lösung bestand in einem Cabernet Cubin – Herxheimer Himmelreich Spätlese trocken Selection des Weingut Petri.
Diese Neuzüchtung aus Cabernet Sauvignon und Blauer Lemberger im Barrique ausgebaut, zeigte großes Potential. Der Wein wies alle Eigenschaften eines Cabernet Sauvignon Weines auf. Aus hochreifem Lesegut mit 105° Öchsle entstand hier ein dichter und sehr eleganter Wein mit einer angenehmen Tanninstruktur und langem Abgang.

Zum Abschluss galt es einen Lemberger zu erkennen.
Gut dekantiert wartete ein 2009 Lemberger *** vom Weingut Aldinger aus Fellbach/ Württemberg auf seinen Auftritt.
Ein Top-Wein – aber zu jung probiert. Trotz mehrstündigem Belüften wurde der Wein von seinen Tanninen dominiert. Andere Aromen, gut ausgeprägte Beerenfrucht, Anklänge von Schokolade, blieben im Hintergrund.

Die Probe präsentierte einen bunten Strauß unterschiedlicher Rebsorten. Sie zu erkennen, fiel nicht leicht; der Austausch im Plenum war dafür umso lebendiger und gottlob nicht von akademischer Ernsthaftigkeit bestimmt.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass es beim Rotwein noch viel zu entdecken gibt. Neue Rebsorten sind eine Herausforderung, bekannte Rebsorten präsentieren sich verblüffend vielfältig.

Verfasser: Jörg Kleimeier

Probenergebnis der Blindprobe vom 8.3.2012 „Deutsche Rotweinrebsorten“ (PDF)


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