8.12.2011 Rotweine aus der Schweiz

Nach unserem Einstieg in den Schweizer Weinanbau mit den zugehörigen Landschaften, der Geschichte des Weinbaus und der Weingesetzgebung bei der Präsentation von Schweizer Weißweinen im Februar, stellten wir uns nun der Herausforderung, Schweizer Rotweine vorzustellen.

Wir rekapitulierten: auf etwas mehr als 15.000 ha wird in der Schweiz Weinbau betrieben. Die Zahl der Produzenten wird mit 33.000 angegeben, die Zahl der Keller aber nur mit 2.200. Die 15.000 ha werden zu 45% für den Anbau von Weißweinen und zu 55% für den Anbau von Rotweinen genutzt. Bei den Rotweinen dominiert der Pinot Noir mit fast 60%.

Die Rundreise begann im Tessin (ital. Ticino), dem südlichsten Kanton der Schweiz. Die Rebfläche von 1.028 ha teilen sich ca. 3.800 Winzer, von denen bis auf ca. 30 Winzer die übrigen ihre Weinberge im Nebenerwerb bearbeiten. Fast 90% dieser Fläche ist mit der Bordeaux-Traube Merlot bestockt, die erst Anfang des 20. Jahrhunderts, als Ersatz für die von der Reblaus befallenen einheimischen Sorten, hier eingeführt wurde. In Höhen unterhalb von 450 m reift die Traube zuverlässig aus. In höher gelegenen Weinbergen muss man auf Pinot Noir ausweichen.

Die Nr. 1 der Probe war eine Kuriosität, ein weissgekelterter Merlot: „Tricino „Chiar di Luna“ Bianco de Merlot“ von der Firma Angelo Delea aus Losone. Dabei werden die roten Merlot-Trauben weich ausgepresst und die Mostgärung erfolgt bei kontrollierter Temperatur. Den Wein einzuordnen fiel schwer; er war fruchtig, hatte überreife Apfelnoten aber im Abgang fehlte die meist beim Merlot vorhandende Fülle und Länge.

Vom Tessin wechselten wir in das Weinbaugebiet Wallis, in dem anfangs ausschließlich zur Selbstversorgung Wein produziert wurde. Erst am Ende des zweiten Weltkriegs waren die Weine nach und nach auch international erhältlich, was zunächst zu  Massenkonsum führte, der mit erheblichen Qualitätsverlusten einherging. Seit 1990 wurden diverse Regelungen getroffen, die dazu führten, dass im Wallis wieder ausschließlich Qualitätsweine gekeltert werden.

Im Wallis stand als erstes die autochthone Rebsorte Cornalin, ein echtes Schweizer Gewächs, zur Verkostung an. Nur in den Kantonen Wallis und Waadt findet er ideale Bedingungen: kalkhaltige Böden und die heiße Sonne. Im Jahr 2003 fand man heraus, dass der Cornalin eine natürliche Kreuzung von Mayolet und Petit Rouge ist, die nicht von Winzern herbeigeführt wurde. Der Mayolet ist für seine Widerstandskraft gegen Kälte verantwortlich, während der Petit-Rouge ihm seine weichen Tannine verleiht.

Wir verglichen bei dem Cornalin einen Wein von Albert Mathier aus Salgesch und einen Wein der Firma Imesch Vins aus Sierre. Die Weinfamilie Albert Mathier & Söhne produziert seit 1928 mit viel Freude und Engagement auserlesene Walliser Weine. Als Pionier legte Albert Mathier mit der Gründung seines eigenen Weinhandels den Grundstein für die Weingeschichte der Familie Mathier und die der Rotweinmetropole Salgesch. Auf den familieneigenen 30 ha Reben, mit über 300.000 Rebstöcken, werden autochthone Walliser Weiss- und Rotweine vinifiziert. Zu diesen Rebsorten gehören Cornalin, Humagne Rouge und Dôle des Salquenen.

Die Gründung der Firma Imesch Vins geht schon bis in das Jahr 1898 zurück. Sierre gilt als Sonnenstadt. Das Sonnengestirn, das Wahrzeichen der Stadt, schmückt ebenfalls die Etiketten der Produktfamilien „Soleil de Sierre“ und „Soleil d’Or“ von Imesch Vins.

Bei Wein Nr. 2, dem Cornalin von Albert Mathier & Söhne, hatten wir Heidelbeere und Kirsche in der Nase, im Gaumen fehlte Fülle und sowohl bei Wein Nr. 2 wie auch bei Wein Nr. 3, Soleil d’Or Cornalin von Imesch Vins, wurde diskutiert, ob Cornalin-Weine so schmecken müssen. So gab es bei der Benotung der Weine große Differenzen, bei Wein Nr. 3 sogar bis zu 4 Punkten. Die Abweichungen bei Nr. 3 waren aber auch damit begründet, dass zwischen A- und B-Flasche sowohl in der Nase als auch im Gaumen deutliche Unterschiede bestanden, so das hier die Eindrücke: Aromen von getrockneten Tomaten / Auberginen auf der einen Seite und Fehltöne auf der anderen Seite wahr genommen wurden.

Als nächstes folgte eine weitere autochthone Rebsorte des Wallis, der Humagne Rouge. Die Humagne Rouge Rebsorte mag die kalkreichen Böden des Wallis, besonders der alpinen Inselregion, und wird als eine der letzten Sorten im Jahr geerntet. Die späte Lese ist verantwortlich für den vollen Körper und die Fruchtigkeit. Die Schale der Trauben ist dick und stark, sie liefert die prächtigen Tannine in diesen Weinen. So ganz geklärt ist die Entstehungsgeschichte des autochthonen Humagne Rouge nicht. Der Cornalin ist ein Verwandter dieser Rebsorte, soviel hat man bisher herausgefunden. Wer ihre direkten Vorfahren sind, behält diese Sorte bislang für sich. Fest steht jedoch, dass der Humagne Rouge nichts zu tun hat mit dem Stillwein Humagne Blanche, den wir bei der ersten Probe der Schweizer Weißweisen kennengelernt hatten.

Im Glas hatten wir mit Wein Nr. 4 einen Humagne Rouge von Albert Mathier & Söhne, den wir als Erzeuger schon bei Wein Nr. 2 kennengelernt hatten und mit Nr. 5 einen Humagne Rouge du Valais „Les Mazots“ von Maurice Gay, Chamoson. Auch die Domaine Maurice Gay, die im Herzen des Wallis liegt, wurde vor mehr als 125 Jahren bereits im Jahr 1883 gegründet. Heute ist dieses Weinhaus eines der berühmtesten des Wallis. Die Einkellerung umfasst die Ernten von 450 Winzern aus einem Anbaugebiet von rund 250 ha, im Durchschnitt werden jährlich 1.5 Mio. Kilo Trauben vinifiziert. Die Spitzenweine stammen von den eigenen 20 ha terrassierten Rebberge.

Beide Weine überzeugten mit kräftiger Frucht und Wein Nr. 5 gewann zusätzlich durch Würz- und Kräuternoten. Auch hier lagen unsere Bewertungen weit auseinander – wenn auch auf höherem Niveau und es entspann sich eine rege Diskussion, was in die Beurteilung weniger bekannter (autochthoner) Rebsorten einfließt. So spielen sicher Kenntnisse, Erfahrungen und eigene Eindrücke bei der Bewertung eine Rolle, aber wie objektiv ist diese dann in Fällen solch weniger bekannten Rebsorten und ist eine objektive Bewertung dann überhaupt möglich?

Wir setzten die Probe mit einer Spezialität des Wallis, dem Dôle fort. Nach der neuen Walliser Gesetzgebung ist ein Dôle ein AOC-Wein des Wallis, der aus einer Mischung von den im Wallis erlaubten und kultivierten roten Rebsorten stammt. Diese Mischung muss mindestens 85% Pinot Noir und Gamay enthalten. In diesen 85% muss der Pinot Noir überwiegen.

Bei den Weine Nr. 6 und Nr. 7, dem Dôle de Salquenen von Albert Mathier & Söhne konnten wir die Jahrgänge 2008 und 2009 vergleichen. Wie auch die übrigen Weine von Albert Mathier & Söhne erfolgte eine traditionelle Maischegärung mit kontrollierter Temperatur und dem anschließenden Ausbau im Stahltank. Wir rochen dunkle Beeren und empfanden eine angenehme Säure und Fruchtigkeit, die dem Wein Struktur gaben und auch noch am Gaumen wahrnehmbar waren. Dabei schien der 2009er bereits trinkreifer als der 2008er zu sein.

Das nächste Anbaugebiet, aus dem wir Weine verkosteten, war der Aargau. Der Aargau, mit 400 ha Rebfläche, gehört mit den Regionen Thurgau, Baselland, Zürich und Schaffhausen zur Deutschschweiz, die insgesamt 2.660 ha Rebfläche umfasst. In rund 70 Aargauer Gemeinden wird heute Rebbau betrieben. Bewirtschaftet werden die Parzellen von rund 800 Winzerinnen und Winzern. Der Aargau liegt auf dem gleichen geographischem Breitengrad wie das prestigeträchtige Burgund und die Niederschlagsmenge ist im Aargau sogar geringer ist als in der Sonnenstube Tessin. So können Trauben geerntet werden, deren Oechsle- bzw. Zuckerwerte keinen Vergleich, weder über die Kantons- noch Landesgrenzen, scheuen müssen und damit gehaltvolle, elegante Weine ergeben.

Wein Nr. 8, IM LEE Döttingen mit 50% Pinot Noir und 50% Malbec zeigte eine Spezialität des Weingutes zum Sternen aus Würenlingen. Die Weinbautradition der Familie geht auf das Jahr 1828 zurück Zusammen mit der Rebschule sowie dem „Restaurant Sternen“ bildet das Weingut ein Triumvirat, an dem man in diesem Teil der Schweiz nicht vorbeikommt. Auf gut 7 ha werden heute Reben in besten Lagen des Unteren Aaretals, in den Gemeinden Würenlingen, Döttingen und Klingnau, gepflegt. Dort profitieren die Reben an besonders geschützten Standorten – im Lee – von idealen klimatischen, topografischen und tektonischen Voraussetzungen.

Bei Wein Nr. 8 dominierte vom Malbec zunächst die dunkle Farbe. Pinot Noir und Malbec wurden zunächst separat gekeltert und ausgebaut. Als Cuvée kam der Wein im Frühjahr für acht Monate in gebrauchten Barriques zu liegen. Der Wein zeigte ein vielschichtiges, aromatisches Bouquet und fiel durch die kompakte, kraftvolle Struktur auf.

Dann ging es an die Pinot Noirs. Wir starteten mit zwei Weinen der Nr. 9 Kloster Sion Pinot Noir Klingnau Réserve, ebenfalls vom Weingut Zum Sternen und hatten mit der Nr. 10 Lampert’s Pinot Noir Barrique aus Graubünden im Glas.

Weinbau und Eigenkelterung Hanspeter Lampert liegt in Maienfeld, in Graubünden. Auf 5 ha Rebfläche erhält jeder einzelne Stock die verdiente Pflege, denn: „Die Qualität der Weine wird im Rebberg begründet“. Das wertvolle, ausschließlich selbst produzierte Traubengut keltert die Familie Lampert seit 1983 im eigenen Keller. Hier holt Kellermeister Hanspeter Lampert das Beste aus den Trauben heraus und lässt es in seine Weine einfließen. Dazu setzt er auf bewährte Kelterungsmethoden, kombiniert mit moderner Weintechnologie.

An dieser Stelle ist ein Wort zu der Winzergruppe PINOT RhEIN zu sagen: Der PINOT RhEIN war zuerst einmal die Idee von fünf befreundeten Graubündner Winzern, die ihre Weine regelmäßig diskutieren, vergleichen und auch kritisieren. Natürlich hat jeder der Erzeuger seinen eigenen Erfahrungshintergrund, seine eigenen Böden, seine eigenen Rebstöcke. Und damit hat jeder Wein seinen eigenen Charakter, seine eigenen Stärken. Die Fünf haben sich dann gefragt, was dabei herauskommt, wenn sie diese Stärken in einem Wein vereinen. Wenn sie ihre Pinot Noirs vom Rhein vollkommen rein keltern und ihre jeweils besten Barriques zu einem Wein assemblieren. Würde der Wein besser sein, als seine Einzelteile? So wurde aus der Idee der PINOT RhEIN. Dafür haben sich die vier Erzeuger auf ein gemeinsames Vorgehen verpflichtet. Nur die besten Trauben werden selektioniert und von Hand gelesen. Wobei der durchschnittliche Ertrag unter 3,5 Deziliter pro Quadratmeter (35 hl/ha) liegen muss. Die Maische wird offen vergoren und von Hand gestoßen. Der Wein wird vor der Assemblage in neuen und einjährigen Barriques ausgebaut.

Das Weinbau-Gebiet Graubünden, bekannt durch seine Lagen „Am jungen Rhein“ und „Bündner Herrschaft“, weist nur eine kleine Rebfläche von knapp 410 ha auf. Das Klima ist von viel Sonnenschein sowie vom durch das Rheintal blasenden südlichen Föhnwind geprägt. Dieser Fallwind wird hier bezeichnenderweise „Traubenkocher“ genannt, weil er die Zuckerbildung in den Trauben begünstigt. Dank dem Föhnklima wachsen kräftige, lagerfähige Rotweine, die es in guten Jahren durchaus mit großen Burgundern aufnehmen können.

Beide Weine Nr. 9 und Nr. 10 waren im Barrique ausgebaut und begeisterten mit komplexer Frucht, Vanille und Caramel-Tönen und Röstaromen. Beide Weine trafen voll den Geschmack und so gab es das Lob „so sollte ein Pinot Noir aus dem Barrique sein“.

Die Frage war: Gibt es noch Steigerungen? Wir blieben in Graubünden und probierten zwei weitere Pinot Noir, beide vom Thomas Mattmann, Cicero Weinbau aus Zisers. Leider muss man dabei erwähnen, dass Thomas Mattmann, ein engagierter Winzer, der stets nach absoluter Perfektion strebte, im Juli 2011 verstorben ist. Auch Thomas Mattmann gehörte zu der Winzergruppe PINOT RhEIN.

Zu unserer Frage: ja es gab noch eine Steigerung. In den Weinen Nr. 11: Pinot Noir Mattmann und Nr. 12: DER MATTMANN Pinot Noir Mattmann, ein bzw. eineinhalb Jahr im Barrique ausgebaut und unfiltriert abgefüllt – wir hatten beide Weine vorsorglich dekantiertet – fanden sich Noten von Cassis und eine wunderschöne Säurestruktur und ein langer mit dezenten Röstaromen unterlegter Abgang. Dabei empfanden wir die Nr. 12 noch tiefer und intensiver und dies spiegelte sich in der Benotung mit bis zu 18,5 Punkten wieder. Bei beiden Weinen scheint noch viel Potential vorhanden, so dass der Wunsch geäußert wurde, diese Weine noch einmal in einem Jahr verkosten zu können.

Als Abschluss hatten wir noch etwas Spezielles aus dem Wallis von Maurice Gay, den wir schon bei Wein Nr. 5 kennengelernt hatten, ausgewählt: Nr. 13 MASC – Assemblage de cépages rouges. Für diesen Wein, eine Assemblage aus Merlot, Ancellotta, Syrah und Cabernet Franc, erfolgte eine rigorose Trauben-Selektion der besten Rebterrassen des rechten Rhoneufers, vinifiziert und ausgebaut wurde er dann in Eichenfässern. Er war geprägt von dunkelvioletter Farbe, in der Nase die Aromen reifer Früchte mit kräftiger Struktur und einem lang anhaltend Abgang mit Würz- und Fruchtnoten.

In der Zusammenfassung war dies sicher eine spannenden Probe, bei der es viel Neues zum Kennenlernen gab und auch die Erkenntnis, dass in der Schweiz inzwischen interessante Weine vor Allem aber sehr gute Pinot Noirs zu entdecken sind!

Verfasserin: Carla Beyer

Probenergebnis der Weinprobe vom 8.12.2011 Rotweine aus der Schweiz (PDF)


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