24.04.2014 Blindprobe „Discounter Weine gegen Winzer Weine“

Discounter in Konkurrenz zum Winzer ?

Nein, das war nicht der Gedanke, der hinter dieser Probe stand. Weder sollte der eine Wein Richtung Himmel gehoben, noch der andere Wein Richtung Hades (griechisch Unterwelt, nicht zu verwechseln mit den hervorragenden württem¬bergischen Weinen aus kleinen Fässern) versenkt werden. Vielmehr waren die regelmäßigen Veröffentlichungen des Deutschen Wein Instituts (DWI) der Auslöser dieses Projekts. Fanden danach doch fast 80 % des Weins in Deutschland über Discounter und Supermärkte den Weg zum Weinfreund. Und wenn dann noch der Preis für 1 Liter Wein im Discounter mit durchschnittlich 2,60€ und im Supermarkt mit 3,80€ benannt werden, dann stellt sich mir die Frage: wo stehen wir als Wein¬bruder¬schaft mit unserem Weingenuss, ist das Kulturgut Wein bei uns so exklusiv, wie wir es im Rahmen unseren Proben verorten? Haben wir uns von dem Großteil der Wein¬freude verabschiedet, oder geht es bei uns ebenso zu wie bei bestimmten Zeitungen, die keiner liest, aber doch jeder weiß, was darin geschrieben steht? Kurz und gut, können wir anhand unserer Weinerfahrungen feststellen, welcher Wein eine Winzer¬handschrift trägt und welcher Wein einem vermeintlich allgemeinen Geschmack Rechnung trägt? Sieben Durchgänge mit 14 Weinen sollen uns auf die Probe stellen und zeigen, wie es um unsere Gewissheit bestellt ist.

Das Schöne an Blindproben in der Weinbruderschaft ist, dass sie mehr als sonst zu einem lebhaften Austausch der Eindrücke führen, also besonders kommunikativ sind.

Zur Beurteilungen sind lediglich die Rebsorte, das Anbaugebiet und der Jahrgang bekannt, der Rest liegt im Dunkel der Flaschen.

Die ersten vier Weine sind Rieslinge aus dem Rheingau, die Weine No.1 & No.2 aus dem Jahr 2012, die Weine No.3 & No. 4 aus dem Jahr 2013.

Der Wein No.1 zeigt eine knackige Säure, klare Frucht mit einem mittellangem Abgang,, insgesamt sehr typisch für seine Herkunft, der Wein No.2 ist weicher, dichter, lässt aber die rheingautypische Frische vermissen.

Um so größer war die Überraschung, dass es sich bei unserem ersten Wein um die „Jungen Rheingauer“ vom Lidl und bei dem zweiten Wein um den „Terra Montosa“ vom Weingut Georg Breuer handelt.

Grund für diese Paarung ist der Umstand, dass es sich bei den „Jungen Rheingauern“ sich nicht um ein Marketingprodukt handelt, sondern dass sich 50 junge Betriebsinhaber innerhalb des Rheingauer Weinbauverbands fanden, die mit verschiedenen Projekten dem Wein ein zeitgemäßes Image verschaffen wollen und im Jahr 2012 ein erfolgreiches Projekt mit der Firma Lidl mit 120.000 Flaschen starteten. Mitglied dieser Gruppe ist auch Theresa Breuer. Was lag also näher, diese beiden Weine in all ihrer Unterschiedlichkeit trotzdem zu vergleichen, gilt es doch den Winzerwein vom Discounterwein zu unterscheiden. Und genau das gelang nicht, denn beide Weine waren Winzerweine, nur ihre Vertriebswege waren unterschiedlich. Diese Erkenntnis sollte uns im Laufe des Abends noch verschiedene Male begegnen.

Die Weine No.3 & No.4 sind gewisser Massen eine Provokation, die aber ins Thema passt. Entpuppen sich die Weine doch als ein Wein vom Weingut „Hans Lang“, vertrieben bei „Aldi Süd“ und den Östricher Ortswein „Alte Reben“ vom Weingut F.B. Schönleber. Schnitt dieser Wein auch mit 0,5 Punkte besser ab als der Wein vom Weingut „Hans Lang“, so mag es den alten Reben zu verdanken sein. Grund für diese Auswahl war der Umstand, dass ich den bei Aldi angebotenen Wein nicht im Sortiment des Weinguts „Hans Lang“ wiederfand. Handelt es hierbei um eine Sondercuvée für den Vertrieb über den Discouter? Beide Weine sind ohne Tadel, die „Alten Reben“ zeigt mehr Tiefe und Mineralität, eilt aber in der Gesamtbetrachtung nicht davon.

Die nächsten vier Weine stammen aus Baden.

Der Weißburgunder 2011 von der Vitis Projekt GmbH (Edition Fritz Keller, Aldi Süd) begegnet dem 2011 er Weißer Burgunder vom Weingut Huber und belegt mit einem Abstand von einem halben Punkt Unterschied einen ehrenvollen zweiten Platz. Beide Weine sind tadellos, frisch und sortentypisch, der Wein des Weingut Hubers zeigt einen deutlichen Holzeinsatz, und wirkt etwas breiter. Nun, da entscheidet letztlich der persönliche Geschmack.

Bei den nächsten Weinen, zwei Grauburgunder, kommt es zu der besonderen Begegnung, treffen doch der Graue Burgunder 2012 der Edition Fritz Keller auf die Oberbergener Bassgeige Grauburgunder des Weinguts Schwarzer Adler Franz Keller. Auch hier ist es interessant zu überprüfen, inwieweit sich die Handschrift von Fritz Keller in beiden Weinen wiederfinden lässt. Auch hier zeigen sich beide Weine sauber und fehlerfrei, während die Oberbergener Bassgeige eine spitze Säure und mehr Kanten bietet. Dennoch wurde der Wein aus der Herzkammer nordrheinwestfälischer Weinmacherei (Essen = Sitz der Vitis Projekt GmbH) etwas besser bewertet.

Es folgt der Wechsel von Baden nach Württemberg und von weiß zu rot . Zwei mal Trollinger, beide Weine von erkennbaren Winzern bzw. Winzergenossenschaften.

Den Trollinger der Felsengartenkeller Besigheim fand ich im Rahmen der Vorbereitungen zu dieser Probe im Abverkauf beim Discouter Penny für erschreckende 1,99 € (Kassenbon liegt beim Schatzmeister, gegebenenfalls zur Einsicht). Damit hatte ich den Wein gefunden, der allein schon vom Preis schockiert. Sein Gegenüber, ein Trollinger vom Weingut Bernhard Ellwanger aus Großheppach, in Weinfachhandel für 4,50€. Beide Weine haben den Anspruch, mit einer merklichen Restsüße im halbtrockenen Bereich unkompliziert Freude zu bereiten, keine Philosophenweine, oder je nach genossener Menge vielleicht doch? Dass zwischen den Weinen ein Bewertungsunterschied von 0,2 Punkten lag, darf man gerne bei einem weiteren Glas vergessen.

Zwei 2012 Dornfelder aus der Pfalz folgen. Ein bewusst Barrique-betonter Wein von der Weinkellerei Peter Mertes trifft auf einen fruchtbetonten, mit klarer Kirsche ausgestatteten Dornfelder der Wachtenburg Winzer e.G. Auch hier verteilten sich die Vorlieben gleichmäßig, ebenso wie die Einschätzung, welcher dieser Weine über Discounter bzw. Fachhandel oder Direktvertrieb erworben wurde. Ob in diesem Fall der Holzton dem Wein wirklich dienlich war oder ihn ehr erschlug?

Das Finale bestreiten zwei 2011 Spätburgunder aus Baden, Lidl vs. Salwey. Lidl mit einem Wein aus seiner Linie „Viajero Junge Winzer“, auf der Flasche begegnet uns ein freundliches, junges Gesicht Also eine persönliche Ansprache durch die Ausstattung der Flasche? Liest man die Beschreibung der Line Viajero, dann entstehen diese Weine in enger Zusammenarbeit durch die beteiligten Winzer mit Lidl. Lidl begleitet den Wein von der Beere bis zum Weinregal. Vielleicht handelt es hier um „den echten Discounterwein“, da nicht ein fertiges Produkt dem Handel zum Verkauf angeboten und durch den Discounter vertrieben wird, sondern dieser bereits die gesamte Produktion in seinem Sinne begleitet? Das Ergebnis ist jedenfalls ein Wein, bei dem ich die typischen Spätburgundereigenschaften schwach ausgeprägt vorfand. Die Nase war kurz, wo waren die Veilchenpastillen und Schwarzkirschen? War er einmal getrunken, so hinterließ er auch keinen bleibenden Eindruck. Gut, er war sauber gemacht, zeigte aber keine Individualität, es sei denn, dass die Abwesenheit gewünschter Eigenschaften Ausdruck von Individualität darstellt. Anders hingegen zeigte sich der durchgegorene und unfiltrierte Spätburgunder vom Weingut Salwey aus Oberrotweil. Er ist nicht „Everybody`s Darling“, was die Gesamtbewertung gut widerspiegelt. Dennoch zeigt er mit verantwortungsvoll eingesetztem Holz das typische Aromenspektrum, was von einem badischen Spätburgunder erwartet werden darf.

Fazit dieser Probe:

Sie war einfach wieder schön, da es ausreichend Gelegenheit gab, sich und seine Weinschwestern und -brüder zu prüfen, zu diskutieren und schließlich in Erstaunen und „Hab ich`s mir doch gleich gedacht“ einzumünden. Blindproben haben ihre Unberechenbarkeit, und gerade darin liegt ihr Reiz. Sie helfen uns, vermeintliche Sicherheiten zu hinterfragen. So haben sich alle Weine in der Probe gut behauptet. Alle waren fehlerfrei, Discounterweine (immer unter dem Gesichtspunkt ihres Vertriebswegs) konnten, wie am Beispiel der „Jungen Rheingauer“, Charakterköpfe sein, waren durchweg in der Bewertung mit ihren Probengegenüber mal mehr, mal weniger gleichauf. Mancher mag nach der heutigen Probe sein Koordinatensystem nachjustieren oder vielleicht sich sogar outen: ja, auch ich habe schon einmal Weine im Discounter gekauft“.

Verfasser. Jörg Kleimeier

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