23.08.2012 Weinprobe mit dem Weingut Jens Bettenheimer

Weiter geht’s in unserem diesjährigen Weinthema Rheinhessen – dynamische Winzer und spannende Weine. Eine neue Winzergeneration ist am Ruder, junge Leute mit Know how, mit Selbstbewusstsein und mit viel Gefühl für klasse Weine.
Am heutigen Probenabend machte unser Weinbruder Uwe Lommertin uns mit dem sympathischen Jens Bettenheimer vom Weingut J. Bettenheimer bekannt.

Jens Bettenheimer studierte in Geisenheim Weinbau. Nach seinem erfolgreichen Abschluss und 8 Monaten im Bioweingut „Fromm Winery“ in Neuseeland eröffnet er seit nunmehr fast 6 Jahren neue Qualitätsoffensiven im elterlichen Weingut im rheinhessischen Ingelheim.
Auf 12 Hektar Rebfläche werden hauptsächlich die Rebsorten Silvaner, Grauburgunder, Weißburgunder, Riesling, Chardonnay sowie Spätburgunder und Frühburgunder angebaut.
Die Qualität der Weine entsteht in den bis zu 50 Jahren alten Rebanlagen. Dort wird rebenbezogen vor der Blüte entblättert und jeder zweite Trieb von der Bogrebe per Hand entfernt. Dabei wird die Wechselwirkung der Mondphasen berücksichtigt, um ein optimales Blatt-/Fruchtverhältnis zu garantieren und die Wirkung des ökologischen Pflanzenschutzes zu verbessern, Die strikte Traubenernte per Hand in kleine Behältnisse erlaubt eine nach Reife gestaffelte Lese. Bei der Weinbereitung wird auf jegliches Pumpen verzichtet. Eine lange gekühlte Vorklärung mit mehrmaligem Aufrühren fördert die jeweilige rebsortentypische Aromatik. Die anschließende Spontangärung führt zu individuellen und saftigen Weißweinen. Bis zur Füllung lagern sie bei niedrigen Temperaturen auf der Hefe, was ihnen einen feinen Schmelz zu verleiht und das Ausgasen der Kohlensäure zu verhindert.
Die Rotweine werden nach einer langen temperierten Maischegärung ausschließlich im rheinhessischen Eichstückfass oder im Barrique im 300 Jahre alten Kellergewölbe gelagert.
Seit dem Jahrgang 2009 wird auch im Weingut Bettenheimer die Klassifizierung der Weine in Gutsweine, Ortsweine und Lagenweine vorgenommen. Nur die restsüßen Weine bekommen die klassischen Prädikate mit auf das Label.
Ziel ist es jahrgangstypische, rebsortentypische, terroirgeprägte und vor allem ehrliche Weine mit Ecken und Kanten auf die Flasche zu füllen. „ Der Weg ist das Ziel.“ Sowohl bei Eichelmann als auch beim Gault Millau werden 2 Trauben bzw. 2 Sterne vergeben.

Für unsere Probe standen Weißweine der Rebsorten Grauburgunder und Silvaner, bei den Rotweinen Frühburgunder und Spätburgunder zur Verkostung bereit:

Wir starteten unseren ersten Flight mit drei 2011er Grauburgundern.
Der erste Wein, war eine Gutsabfüllung aus dem ersten Lesedurchgang mit 12 Stunden Maischestandzeit und Ausbau zu 80% im Edelstahltank und zu 20% im großen Holzfass.
Der zweite Wein war der Ingelheimer Grauburgunder aus dem 14 Tage später durchgeführten zweiten Lesedurchgang mit 24 Std. Maischestandzeit, und Ausbau zu je 50% im Edelstahl und im großen Holzfass.
Der dritte Wein war der Grauburgunder „Aureus“ aus dem Ingelheimer Sonnenhang, aus der Selection Rheinhessen mit den vollreifen Trauben des dritten Lesedurchgang, der nochmals 14 Tage später erfolgte. Er wurde spontan vergoren und reifte bis Ende März im Barriquefass. Die verwendeten Fässer wurden extra für den Weißwein mit Wasserdampf behandelt , um einen Großteil der Gerbstoffe aus dem Holz zu extrahieren.

Gutswein und Ortswein – beide bereits goldprämiert – überzeugten mit einem blumig würzigen Duft, angenehm frischer, fruchtiger und leicht mineralischer Note und zartem Schmelz am Gaumen, wobei der Gutswein als guter Terrassenwein, der Ortswein als noch sortentypischer im Aroma (Mango, ein Hauch Minze) und cremiger, vielseitiger strukturiert empfunden wurde
Der Lagenwein „Aureus“ – der Goldene – erstrahlte auch goldgelb mit leicht rötlichen Reflexen im Glas. Im Duft erinnert er an reife gelbe Früchte (Birne, Melone, Banane), umhüllt von einem leichten Honigtouch und Karamellnoten. Die komplexe Cremigkeit im Geschmack mit einer Prise von Gewürzen und einem Hauch Rauch verliehen ihm einen langen, angenehmen Abgang.

Als nächstes folgte ein Flight mit zwei Silvanern aus dem Jahrgang 2010 und 2011, jeweils aus der Lage „Appenheimer Eselspfad“ der „Selection Rheinhessen“.

Der Boden in der Lage Appenheimer Eselspfad zeichnet sich durch einen hohen Anteil leicht erwärmbaren Sandes mit Kalkstein und Mergel im Lehm aus. Wegen der südlichen Neigung zählt der Eselspfad zu den Toplagen. Wo in früheren Zeiten Lastesel über einen engen Weg zu einer Mühle geführt wurden, stehen in der langgestreckten Anlage nun die ältesten Silvanerreben des Weingutes. Nach 24stündiger Maischestandzeit beim 2010’er und 48stündiger Maischestandzeit beim 2011’er wurde der Most relativ kalt vergoren. Der größere Teil wurde reduktiv im Edelstahltank, ein kleinerer Teil von 25% im Holz ausgebaut
Beide Lagenweine erwiesen sich als Super-Silvaner – klasse in ihrer Art.
Der Wein leuchtet goldgelb mit brillanten Reflexen im Glas. In der Nase trafen feine Aromen von Liebstöckel, Lakritz und frischem Oregano auf frische Limettenschalen und reife gelbe Früchte ( Birne, Melone und Stachelbeere). Im Geschmack kam seine Mineralität mit einer gewissen Salzigkeit zum Ausdruck. Ein fein ausbalanciertes Fruchtsäure-/ Restsüßeverhältnis unterstich bei beiden Jahrgängen den cremigen Abgang.
Trotz seiner wilden, fast schon wurzeligen Art wurde der 2011’er etwas besser gewertet, da er weniger rauchige Noten zeigte und noch sehr frisch war.
Weiter ging es mit den Rotweinen.
Alle Rotweine werden im Weingut nach der Maischegärung ausschließlich im rheinhessischen Stückfass oder im Barrique gelagert, dabei kommen die Lagenweine in Erstbelegung in die Fässer.
Es folgte der erste Rotweinflight mit zwei Frühburgundern1) aus dem Jahrgang 2009 und 2010, jeweils aus der Lage „Ingelheimer Schlossberg“ und wieder aus der „Selection Rheinhessen“
Die Lage Schlossberg befindet sich südlich von Ingelheim am Osthang des Westerbergs. Schloss Westerhaus ist der namensgebende Ausgangspunkt dieser Lage. Die Charakteristik dieses Bodens gründet sich auf dem hohen Anteil an Ton. Er kann viel Wasser speichern und der Lößanteil und die Tonmineralien gewährleisten eine gute Nährstoffversorgung.
Beide Frühburgunder strahlten rubinrot im Glas. Im Duft erinnern sie an dunkle, reife Waldfrüchte. Die fruchtige Nase wurde von einem Hauch Vanille und Karamell unterstrichen. Der 2009er wurde im Bordeaux-Barrique (225 Ltr.) und der 2010er im etwas kleineren Burgunder-Barrique (205 Ltr.) ausgebaut.
Der feine Holzanklang – weich und schmelzig auf der Zunge – und die filigrane Tanninstruktur sorgen für einen langen Abgang. De 2009er begeisterte etwas mehr, er war auch Finalist beim Deutschen Rotweinpreis.

Der nächste Flight waren Spätburgunder der Jahrgänge 2007, 2008 und 2010 – alle aus der Lage „Ingelheimer Sonnehang“ und ebenfalls aus der Selection Rheinhessen.
Die Lage „Ingelheimer Sonnenhang“ erstreckt sich östlich und westlich entlang der Landstraße L428 nach Groß-Winternheim. Sie ist eine Zusammenfassung von alten Lagen wie z.B. Atzel, Füllkeller, Haun und Platte. Die Bezeichnung Sonnenhang deutet auf die günstige Orientierung zur Sonne hin, denn diese Lage bekommt ca. 100 Sonnenstunden mehr als die umliegenden Lagen ab. Der Boden hat hier wegen seiner lehmigen Beschaffenheit einen günstigen Wasserhaushalt und kann, auch wegen seines Lößanteils, eine gute Nährstoffversorgung sicherstellen. Durch die etwas dunklere Farbe erwärmt er sich im Frühjahr schnell. Diese günstigen Eigenschaften liefern hervorragende, kräftige Rotweine mit einem guten Potential zur Lagerung.
Die Spätburgunder kamen nach 20-25% Saftabzug und zwei Wochen Maischegärung für 9 Monate in französische Barriques.
Ein intensiver Duft nach Waldfrüchten, die fein eingebundene Restsüße und die dunkelrote Farbe ergänzen sich angenehm im Geschmack mit der ausgewogenen Tanninstruktur.
Sowohl der 2007er wie auch der 2008er empfanden wir als harmonisch abgerundete Weine; wobei der 2008er mit mehr Holz und länger anhaltenden Beerenaromen punktete.
Der 2010er Blaue Spätburgunder vom Ingelheimer Sonnenhang bestach in der Nase durch feine Frucht von Kirsche, durchzogen von rauchigen Komponenten. Im Geschmack verstärkte sich die Kirsche, Noten von Pfeffer und Würze kamen hinzu. Im Abgang blieb er mit viel Dichte und Fülle lange am Gaumen und zeigte noch viel Entwicklungspotenzial.
Unsere letzte Ingelheimer Rotweinlage war der „Ingelheimer Täuscherspfad“ .
In der 9 ha großen Lage „Täuscherspfad“ stehen die 47 Jahre alten Spätburgunderreben. Besonderheiten im Ausbau sind : 30% Saftabzug , dann zwei Wochen spontane Maischegärung und eine 18-monatige Lagerung in französische Barriques (100% neues Holz). Der Wein bleibt über 18 Monate auf der Hefe und wird ohne Filtration direkt abgefüllt.
Nach Angaben des Winzers verkauft er diesen Rotwein nur an „Weinfreaks“, da dieser Wein sehr polarisiert und zum Verständnis Einiges an Erklärung benötigt.
Auch für uns war sich dieser unfiltierte Spätburgunder kein alltäglicher, typischer Spätburgunder. Er begegnete uns mit einem rauchig kräutrigem Duft, mit leichten Röstaromen und im Abgang blieb er mit seiner fein eingebundenen Säure, seiner Dichte und Fülle lange am Gaumen. Dieser Wein verfügt über ein sehr gutes Entwicklungspotential, kann jedoch derzeit noch nicht gekauft werden, da er für einen Wettbewerb vorgesehen ist.
Dann gab es noch ein Schmankerl zum Abschluss – eine edelsüße 1986er Huxelrebe Beereauslese vom „Appenheimer Eselspfad“. Sie trumpfte mit 120g Restzucker / l und 9,5 g Säure / l auf. Nachdem die Flasche entkorkt und der Inhalt in goldgelb in unseren Gläsern ruhte, waren wir uns schnell einig: Ein reifer, charaktervoller und eleganter Wein ohne jeglichen Alterstöne; man musste diese Beerenauslese einfach mögen.
Maracuja pur! Die intensive Frucht, vornehmer Pfirsichton und die deutlich wahrnehmbare Restsüße harmonierten eindrucksvoll mit einer angenehmen Fruchtsäure. Nicht nur als Dessertwein zu empfehlen. Aber leider bald nicht mehr zu erstehen.

Vielen Dank Herr Bettenheimer für eine beeindruckende und stimmige Verkostung, bei der wir die Weine kennen lernen durften. Es hat Spaß gemacht und schmeckt noch lange nach…………

Und wer jetzt noch nicht genug hat, der kann im Weingut J.Bettenheimer mit Gutsausschank und Gästezimmern im rustikalen Kuhstall mit alten Kellergewölbe oder auf der Sonnenterrasse bei rheinhessischen Köstlichkeiten weitermachen.
Verfasserin: Ulrike Ottersbach

Probenergebnis der Probe vom 23.08.2012 mit dem Weingut Jensbettenheimer (pdf)

1) Die Rebsorte Blauer Frühburgunder (Madeleine noir, Pinot Madeleine, Augustclevner) ist als Mutation des blauen Spätburgunders entstanden.
Tief rubinrote (Burgunderrot) Farbe, meist intensiver als Spätburgunder, konzentrierte Frucht
und Substanz. Im Weincharakter ähnlich dem Spätburgunder, in warmen Jahren zum Teil mit breiter, marmeladiger Fruchtausprägung, liefert er manchmal die schönere Burgunderweine als der Spätburgunder.


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