23.10.2014 Lateinamerika

Vier Länder, fünf Winzer, was für ein Unterfangen, einen ganzen Kontinent in 12 Flaschen erkunden zu wollen!

Mexiko, Brasilien, Peru und Uruguay mit jeweils einem Weingut und Brasilien mit zwei Weingütern sollen uns einen Eindruck von der Stilistik und Handschrift der Winzer in ihrem Land zu vermitteln. Damit ist der Anspruch auf eine Querschnittsprobe natürlich nicht gegeben, vielmehr kann als Ergebnis nur ein kleiner, sehr individueller Ausschnitt aus dem jeweiligen Land abgebildet werden.

Die Probe startet in Mexiko, dem ältesten Weinland Lateinamerikas. Seit 1524 wird der Weinanbau in Mexiko betrieben. Das Weingut Casa Madero blickt auf das Jahr 1597 als sein Gründungsjahr zurück. Mexiko ist, gemessen an seiner Rebfläche von 50.000 ha, das viergrößte Weinanbauland Lateinamerikas. Doch nur 10% der Trauben werden tatsächlich für die Weinproduktion genutzt. Der überwiegende Teil der Trauben wird zu Brandwein und Rosinen verarbeitet.
Wir beginnen mit den Weinen vom Weingut L.A. Cetto. Das Weingut wurde 1928 von dem italienischen Einwanderer Luigi  Angel Cetto gegründet und wird heute in der 3. Generation als Familienbetrieb geführt. Das Unternehmen liegt an der Pazifikküste Mexikos, im Weinbaugebiet Baja California. Dieses im Norden Mexikos, an Kalifornien angrenzende Weinanbaugebiet, liegt auf einer 1300 km langen, dem mexikanischen Festland vorgelagerten Halbinsel. Hier werden 80% der mexikanischen Weine produziert. Das Weingut L.A. Cetto hat seinen Hauptsitz im dem Valle de Guadalupe und unterhält weitere Kellereien in Ensenada und Tijuana und produzierte in 2011 ca. 10 Mio. Flaschen. Ein von den Temperaturen mediteranes, jedoch trockenes niederschlagarmes, fast wüstenähnliches Klima macht eine künstliche Bewässerung notwendig.

Der erste Wein ist ein 2012 Sauvignon Blanc aus Baja California. Die Reben stehen im Valle de Guadalupe. Der Boden dort ist flach, sandig bis lehmig. Wie bei allen Weinen dieses Weinguts erfolgt eine Handlese, Traubenselektion und Entrappung. Der Wein ist klar, mit verhaltener Nase. Geschmacklich rebsortentypisch, fehlerfrei und sauber gemacht, lässt er jedoch einen eigenen Charakter vermissen.

Der zweite Wein ist ein Cabernet Sauvignon aus dem Jahr 2011. Standort und Vinifikation wie beim Vorgänger. Auch hier ein rebsortentypischer Wein mit leichtem Holz und zarten Tanninen, Vanille vom Holz (6 Monate in französischem Barrique), verhaltene dunkle Früchte, Pfeffer und einem ehr kurzen Abgang.
Auch dieser Wein ist sauber aber ohne besonderen Charakter.

Mit dem dritten Wein verlassen wir das Basissegment dieses Weinguts und probieren einen 2007 Nebbiolo Private Reserve, Barrel aged. Handlese und Traubenselektion, 15-20 Tage Gärung und dann 12-16 Monate Reifung in französischen Barriques. Anschließend zwei weitere Jahre der Flaschenreifung ergeben einen Wein, der ein gut eingebundenes Holzaroma neben einer schönen Kirsche, Tabak und Gewürzaromen besitzt.  Die Tannine sind unaufdringlich, geben dem Wein aber ein gutes Gerüst. Der Wein verabschiedet sich mit einem mittellangen Abgang und hinterlässt einen angenehmen, eleganten Gesamteindruck.

Mit diesem Wein verlassen wir das nördlichste  der vier Länder des heutigen Abends und wechseln nach Brasilien.

Brasilien produziert auf 88.000 ha Anbaufläche 500.000 to Weintrauben. Hieraus werden 3,5 Millionen Hektoliter Saft und Wein gemacht. Dieses erfolgt in 5 unterschiedlichen Regionen, wobei die verschiedenen Anbaugebiete bis zu 6.000 Kilometer voneinander entfernt liegen. Das Hauptanbaugebiet ist das Vale dos Vinhedos „Tal der Weinberge“. Es liegt im Süden des Landes, um den 29. Breitengrad, und wurde von italienischen Einwanderern vor über 135 Jahren gegründet.

Wie in den meisten Anbaugebieten herrscht auch hier ein gemäßigtes Klima vor, mit sonnigen Sommern und ausreichendem Regen. Die Weinberge liegen auf Hügeln (bis zu 600 Meter über NN), wo die Bedingungen manchmal bereits an Weinanbau in bergigen Höhenlagen erinnern. Die Böden bestehen aus Basaltgestein, das in Muschelkalk übergeht, mit mittlerer Fruchtbarkeit.

Unsere Weine kommen alle aus dem Ort Bento Concalves in der Region Vale dos Vinhedos in dem Staat Rio Grande do Sul. Die Region umfasst eine Rebfläche von 2.400 ha.
Das Weingut oder besser gesagt die Unternehmensgruppe Miolo wurde von dem venezianischen Einwanderer Guiseppe Miolo 1897 gegründet und ist bis heute als Familienunternehmen eines der führenden Weinunternehmen in Brasilien. Neben den Weinlagen im Vale dos Vinhedos (300ha) werden unter dem Namen „Brazilwood“ 4000km nördlich, in Valle do Sao Francisco weitere Weine produziert.

Der Miolo Fortaleza Do Seival Pinot Noir 2009, im Glas eine kräftige Farbe, in der Nase die typischen Aromen eines Pinot Noir gepaart mit Vanillenoten. Ausgebaut wurde er zu 30% in amerikanischen Barriques und zu 70 % im Stahltank. Der Geschmackseindruck: Frische, ausgewogene Säure und eine zurückhaltende Frucht, Anklänge von Erdbeere und Schokolade.

Die folgenden zwei Weine sind vom Weingut Casa Valduga, von drei Brüdern gegründet, die 1875 aus Rovereto in das Val dos Vinhedos auswanderten. Das Weingut wird heute in vierter Generation als Familienunternehmen geführt.

Wir beginnen mit dem Casa Valduga Merlot Premium 2008. Ein Merlot aus der Premium-Linie der Casa Valduga wird nicht jedes Jahr produziert. Spontan wird entschieden, ob die Saison gut genug ist, Weine mit dem Zusatz Premium produzieren zu können.

Der Casa Valduga Merlot Premium ist ein rebsortenreiner Merlot, dessen Ertrag bei 3kg pro Rebstock liegt. Seine Farbe ist dunkel- bis purpurrot. Sein Bouquet erinnert an Veilchen und Kirschen. Im Mund ist der Wein geschmeidig und vollfruchtig mit einem schönen Abgang; er schmeichelt.

Als zweiter Wein folgt ein Marselan Identidade Single Vineyard 2006.

Marselan ist eine relativ neue Rebsorte, eine Kreuzung aus Cabernet Sauvignon und Grenache. Die Farbe des Weines ist tiefrot und besitzt violett funkelnde Anklänge. In der Nase sind dunkle Beeren, vor allem Himbeeren und Brombeeren. Am Gaumen: ein Zusammenspiel kräftiger Frucht mit harmonischen, ausgereiften Tanninen.  Es bleibt der Gesamteindruck eines Weines, bei dem Kraft und Eleganz keinen Gegensatz bilden, sehr schön.

Im gleichen Ort, Bento Concalves, ist auch das dritte Weingut aus Brasilien, das Weingut Pizzato zu finden. In den 1960iger Jahren siedelte Antonio Pizzato in die Region. Das Weingut besitzt 26 ha im Valle dos Vinhedos und weitere 14 ha ca. 50 km nördlich. Es wird in dritter Generation als Familienunternehmen geführt.

Der Pizzato Concentus 2006 leuchtet im tiefdunklen Rubingranat mit violetten Reflexen und zeigt sich verschlossen. Nach der Beschreibung dieses Weines ist der erste Eindruck enttäuschend, große Ankündigung und dann ehr wenig Frucht, dafür mehr Alkohol. Luft, Luft, Luft hätte er rufen sollen. Denn dann zeigt er sein Bouquet, feinwürzig und reich an dunklen Beeren. Im Mund: Fülle, Frucht, schön integrierte seidige Tanninen und ein langes Finale. Richtig dekantiert, zeigt sich hier ein Wein, der als Cuvee aus 45% Merlot, 35% Tannat und 20% Cabernet Sauvignon begeistern kann.

Damit verlassen wir Brasilien und unsere Reise führt uns nach Peru. Wenn auch Peru mit Andenromantik, Folklore in den Fußgängerzonen und jahreszeitenuntypischem Spargel in Supermärkten in Verbindung gebracht wird, so ist der Weinbau dort seit 1547 nachgewiesen.

Nach der Eroberung des Inka-Reiches durch die Spanier in den Jahren 1532-1533, brachte im Jahre 1547 der Spanier Francesco de Carabantes die Traube von den Kanarischen Inseln nach Peru. Chronisten jener Epoche weisen darauf hin, dass es auf dem Landgut Marcahuasi bei Cuzco war, wo die erste Weinherstellung in Südamerika stattfand. In den Tälern von Ica erstreckten sich die Weinstöcke aufgrund des geeigneten Klimas immer großflächiger. Peru war das erste Land in Südamerika, in dem Weinbau systematisch betrieben wurde. Wein und andere Weinprodukte wurden damals sogar nach Spanien exportiert. Spanische Winzer leiteten unter Felipe II das Verbot dieses Handels mit Spanien in die Wege, welches 1614 in Kraft trat. Während Chile und Argentinien von der Reblaus verschont blieben, richtete sie Ende des Jahres 1888 in Peru schwere Schäden an. Auch auf Grund politischer Unruhen kam der Weinbau bis 1960 nahezu zum Erliegen. Ab den 1980-90er-Jahren begann man mit importierten Reben einen Wiederaufbau

Die bedeutendsten Weinkellereien Perus befinden sich südlich von Lima zwischen den Städten Cañete und Ica. Trotz der Nähe zum Äquator herrschen im Weinbaugebiet, an der peruanischen Pazifiksüdküste, aufgrund des Andengebirges und des kalten Humboldstroms idealen Klimabedingungen – warmes, trockenes, regenfreies Klima mit großen Schwankungen zwischen Tages- und Nachttemperatur, sowie gemäßigten Wintern – für den Anbau von Rebsorten wie Tannat, Petit Verdot, Chenin Blanc, Sémillon, Viognier, Ugni Blanc, Malbec, Syrah, Cabernet Sauvignon, Merlot, Sauvignon Blanc und Chardonnay.

Das Weingut Bodega Santiago Queirolo wurde 1880
gegründet und besitzt 120 ha. Weinberge in der nähe der Canete und weitere 300 ha. in der 160 km entfernten
Region Ica. Das Weinbaugebiet CANETE liegt in der Küstenwüste am rechten Ufer des namensgebenden Flusses, 151 Kilometer südlich von Lima, 50 Meter über dem Meeresspiegel und 10 Kilometer von der Küste entfernt. Die Weine stehen auf Schwemmlandböden.

Das Weinbaugebiet ICA befindet sich in einer außergewöhnlichen Region für den Weinbau, 300 km südlich von Lima, 600 Meter über dem Meeresspiegel und 40 Kilometer von der Pazifikküste entfernt. Die Nähe zu den Anden, Temperaturschwankungen von von bis 20 Grad zwischen Tag und Nacht, in Verbindung mit dem sonnigen Wüstenklima der Gegend schaffen gute Bedingungen für Weinbau.
Als erster Wein haben wir einen 2011 Tannat Gran Tinto im Glas. Der Wein stammt aus dem Anbaugebiet Canete und präsentiert sich mit einer geradezu strengen Nase. Am Gaumen eine Melange aus verhaltener Frucht, Extraktsüße gepaart mit Kakao und deutlichem Pfeffer. Für einen reinen, vergleichsweise jungen Tannat erfrischend trinkfreudig und herausfordernd.

Als zweiter Wein folgt aus der Linie Intipalka aus dem Val de Ica ein Syrah 2011, der jedoch von reifen bis oxidierten Noten geprägt ist. Dadurch treten alle anderen Eindrücke in den Hintergrund, so dass dieser Wein besser hätte jung getrunken werden sollen.

Der letzte Wein des Weinguts ist ein Cuvee 2010 aus den Rebsorten  Cabernet Sauvignon 60% und Petit Verdot 40% aus dem Gebiet Ica. 40% der Cuvee wurde 6 Monate in Eichenfässern gereift. Tiefrote Granatfarbe gepaarte mit Aromen von reifen Früchten mit Noten von Erdbeeren und Pflaumen. Im Mund finden sich dunkle Früchte und eine leichte vordergründige Süße. Körperreich, langer Abgang, vielleicht etwas alkoholisch wirkend, dennoch insgesamt ein schöner Wein.

Als letztes Land auf unserer Weinreise kommen wir nach Uruguay.

Wie auch in den anderen Ländern Südamerikas waren es in Uruguay die Spanier, die den Weinbau begründeten. Dieses geschah jedoch erst Ende des 18. Jahrhunderts. Ab etwa 1870 begann man mit kommerzieller Weinproduktion.

Heute werden auf etwa 10.000 Hektar in 270 meist kleineren Betrieben 90 -100.000 Hektoliter produziert. Die größten Anbaugebiete mit etwa 60 % der Produktion liegen um die Hauptstadt Montevideo im Departement Canelones. Die meisten der kleineren Gebiete liegen entlang des Flusses Uruguay und am Río de la Plata. Das Klima in Uruguay ist feucht und subtropisch-warm, durch die Nähe zum Meer bzw. zum Río de la Plata jedoch ist das Hauptanbaugebiet ähnlich dem Médoc gut durchlüftet.

Die älteste Rebsorte in Uruguay ist der Tannat, der 1875 von Pascual Harriague aus dem französischen Baskenland importiert wurde.

Weitere Rebsorten sind Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Syrah (Rotwein) sowie Chardonnay, Sauvignon Blanc, Gewürztraminer, Pinot Grigio, Chenin Blanc, Moscatel, Frontignan, Riesling, Semillón, Muscatel Ottonel und Torrontés (Weißwein). Die beiden Weine aus Uruguay stammen von dem Weingut Bodegas Castillo Viejo, welches 1927 von Don Santos Etheverry gegründet wurde. Er selbst stammte als Einwanderer aus dem französischen Baskenland. Heute befindet sich dieses Weingut in der dritten Generation in Familienbesitz. Das Weingut liegt nördlich von Montevideo in Las Piedras in der Region San José. Die Ernte beginnt hier um den 1. Februar und endet Anfang April. Handlese, ausschließlich bei Nacht, kurze Maischestandzeit und Temperatur kontrolliert bei 25° bis 27° vergoren sind die Merkmale dieser Weine.
Da Tannat die Rebsorte Uruguays ist, beginnen wir folgerichtig mit einem jungen Castillo Viejo Catamayor Classic Tannat 2013. Der Wein zeigt sich mit in tiefem Rot, Frucht und Vanille vom Holz in der Nase und genauso am Gaumen. Der Wein ist stimmig, für sein Alter sehr gut trinkfreudig und verabschiedet sich mit einem mittellangen Abgang. Als Gesamteindruck bleibt kein großer Wein aber ein frischer und sauber gemachter Tannat in Erinnerung.

Unsere Südamerikareise schließt mit einem Cuvee Castillo Viejo Catamayor Reserva Tannat/Cabernet Franc 2011. Der Wein enthält 63% Tannat und 37% Cabernet Franc und wird 6 Monate in amerikanischen Barriques ausgebaut.  Das Ergebnis ist ein dunkelroter Wein, Beerenfrucht und Vanille in der Nase, mild, samtig mit einem schönen Tanningerüst ausgestatteter Wein. Nase und Gaumen harmonieren so dass der Wein Freude macht, ein schöner Wein und ein guter Wein für den Abschluss dieser Reise.

Auch wenn diese Probe nur wie ein Blitzlicht die Weinwelt Südamerikas beleuchten konnte, so war doch festzustellen, dass die Standartweine des Basissegments zwar sauber gemacht jedoch ohne besonderen Charakter sind. Die Premiumweine hingegen sind durchaus Charakterköpfe, die es wert sind, zu probieren und auch in Zukunft zu begleiten. Gut, dass es so ist.

Verfasser: Jörg Kleimeier

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