Rudolf May hat 1999 seinen sicheren Job als Techniker in Veitshöchsheim an den Nagel gehängt und den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Seitdem ist das Weingut von ca. 2.5 ha auf heute 12,6 ha (eigene und gepachtete) Betriebsfläche gewachsen und füllt inzwischen ca. 100.000 Flaschen pro Jahr ab.
Der Rebspiegel des Weinguts ist untypisch für Franken mit 52% Silvaner, 25% Burgundersorten, 8% Riesling, 8% Müller Thurgau und 7% sonstigen Rebsorten.
Der größte Teil der der Weinbergsfläche liegt in der Lage Retzstadter Langenberg, daneben auch etwas im der Lage Retzstadter Benediktusberg und Stettener Stein.
Sehr konsequent ist das Sortiment in 5 Klassen eingeteilt, die sich in Rebschnitt, Ertrag und Ausbau unterscheiden:
– die Gutsweine typische Frucht der Rebsorte, 50 -80 hl/ha Ertrag und
mit Reinzuchthefen vergoren.
– die Serie Kalkmineral mit stärker mineralischer Frucht, 55 -60 hl/ha Ertrag
und spontan vergoren.
– die Serie Wellenkalk mit noch stärkerer Mineralik und noch geringerem
Ertrag, ebenfalls spontan vergoren. Der Name kommt
vom der geologischen Kalksteinformation die als
erste Schicht über dem Sandstein liegt.
– die Spitzenserie Recis bei der der Ertrag noch weiter reduziert wird. Der
Name kommt vom lateinischen Namen „Recis“ für
Retzstadt, was gleichzeitig auch zurückgezogen
bedeutet und somit sinnbildlich für den niedrigeren
Ertrag steht.
– die edelsüßen Weine bei denen naturgemäß nur sehr geringe Erträge erzielt
werden.
Den Anfang der Probe machte ein Müller Thurgau der Serie „Frank & Frei“, ein sauberer, runder, leicht trinkbarer Wein – so wie die Frank & Frei Serie konzeptiert ist.
Dann ein Silvaner als Gutswein, aus der ersten Qualitätsstufe, ein sauberer, fruchtiger und frischer Alltagswein, sehr trocken und mit etwas mehr Säure.
Der zweite Silvaner, den wir verkosteten, kam aus der nächsten Qualitätsstufe „Kalkmineral“ und stammt aus der Lage Retzstadter Langenberg. Erwartungsgemäß zeigte er mehr Dichte als der Gutswein und eine zarte Mineralik.
Eine weitere Steigerung brachte dann der Silvaner der Serie „Wellenkalk“, der deutlich nachhaltiger war und bei dem die Eigenschaften der Serie Kalkmineral noch stärker ausgeprägt waren.
Als Abschluss der Silvaner probierten wir den 2008’er Silvaner „Recis“ aus der Spitzenserie, der der bestbewertete, trocken Wein des Abends wurde. Dichte, vollreife, mineralische Frucht, trotzdem zeigte er sich elegant und mit einem Potential, das ein langes Leben verspricht. So sollte ein guter Silvaner sein. Dieser Meinung war auch die Zeitschrift „Feinschmecker“, die den Wein zum besten Silvaner des Jahres 2008 kürte.
Auch wenn etwas mehr als die Hälfte der Weinbergsfläche mit Silvaner bestockt ist, versteht sich Rudolf May genauso gut auch auf die anderen Rebsorten:
Für den Weißburgunder stand exemplarisch der „Kalkmineral“, ein exotischer, dichter Wein mit gut integrierter Fruchtsäure. Die Reben sind ca. 15 Jahre alt und wachsen in sehr steilen Lagen. Nur goldgelbe, vollreife Trauben wurden für diesen Wein verwendet.
Der 8% Rieslings-Anteil wurde durch drei Weine in nicht minder hoher Qualität vertreten.
Der Riesling „Kalkmineral“ zeigte sich bereits dicht, sehr trocken und mit gut integrierter Säure.
Der Riesling „Recis“ aus dem Jahrgang 2007 kam mit leichtem Botrytis-Anteil und etwas höherem Restzucker, der ihn harmonischer macht. Auch die Fruchtsäure war gut eingebunden und im Gegensatz zu vielen anderen Rieslingen dieses Jahrgangs wies er noch keine Alterstöne auf, ja der Riesling konnte sogar noch an der Luft sich positiv verändern.
Trotz der Philosophie, die Weine trocken auszubauen, konnten wir auch einen feinherben Riesling der Serie „Wellenkalk“ probieren. Bei der Spontanvergärung war er im halbtrockenen Bereich bei 16,3 g/l Restzucker hängen geblieben so kam er als feinherber Wein in das Sortiment.
Der Restzucker machte ihn runder und weicher, ohne ihm den Charakter zu nehmen. Ein interessanter Wein, der sogar unserer Mosel-Fraktion Freude machte.
Keine Weißprobe ohne edelsüßen Wein. Wir konnten eine Rieslaner-Beerenauslese der Lage Retzstadter Langenberg mit 154 g/l Restzucker und 10,1 g/l Fruchtsäure verkosten. Ein dichter, eleganter, fruchtig-exotischer Wein mit viel Süße, der durch die hohe Säure nicht breit und pappig wirkt und entsprechend sehr gut bewertet wurde.
Und nicht nur die Produktion von Weißweinen sondern auch die von Rotweinen beherrscht Rudolf May.
Der erste Rotwein war ein Spätburgunder, ein 2008’er der Serie „Wellenkalk“ aus dem Retzstadter Langenberg. Der Ertrag wurde auf ca. 40 hl/ha begrenzt, durch Rückschnitt auf 6 -8 Trauben pro Stock, die zusätzlich noch geteilt wurden. Der Ausbau erfolgte nach der Maischegärung im Holzfass. Ein runder, klarer, typsicher Spätburgunder.
Als Abschluss und Krönung der Probe, verkosteten wir einen 2007’er Spätburgunder der Spitzenserie „Recis“, aus der Lage „Retzstadter Benediktusberg“. Die Reben sind zwar jünger, aber sie stehen auf einem sehr steinigen Boden. Der Ertrag wurde auf gerade einmal 30 hl/ha reduziert. Er zeigte sich im Glas dicht, klar und vielschichtig, mit den typischen Burgunder-Tönen, noch deutlich vom Holz geprägt, aber mit so guter Struktur, dass bei Lagerung den Wein nur gewinnen kann.
Im Laufe des Abends kam Rudolf May immer mehr aus sicher heraus und überzeugte uns vollständig von seiner Qualitätsphilosophie – und konnte das auch durch die hohe Qualität seiner Weine untermauern. Rundum eine interessante und gelungene Weinprobe.
Verfasser: Dieter Ockelmann