Vernatsch und Trollinger sind verschiedene Namen für die gleiche Rebsorte, deren Vorkommen sich fast vollständig auf Südtirol und Württemberg beschränkt. In Südtirol werden aus der Vernatschtraube der „Kalterer See“ und der „St.Magdalener“ gekeltert. In Württemberg heißt die Vernatsch-Traube Trollinger (wahrscheinlich aus „Tirolinger“ entstanden). In beiden Gebieten erzeugt man aus ihnen saubere, unkomplizierte Trinkweine, die im Jahr nach der Ernte auch getrunken werden sollten und nicht zum Lagern gedacht sind. Typisch ist das ausgeprägtes Fruchtaroma und der Bittermandelton.
Da in den 60iger und 70iger Jahren die Devise galt „Masse statt Klasse“ ist die Rebsorte etwa in Verruf geraten. Heute bemüht man sich verstärkt um Qualität und versucht z.B. in Südtirol dem Vernatsch durch die „Kalterer See Charta“ wieder breitere Anerkennung zu verschaffen.
Von der Vernatsch-Rebe sind viele Variationen bekannt; in Südtirol ‘Großvernatsch’ (‘Schiava Grossa’), ‘Mittervernatsch’, ‘Grauvernatsch’ und ‘Tschaggelevernatsch’.
Die ‘Großvernatsch’, die ihren Namen von den für eine Weintraube ungewöhnlich großen Trauben ableitet, wird unter dem Namen „Black Hamburg“ oder „Meraner Kurtraube“ auch als Tafeltraube verkauft
In Württemberg ist der Trollinger der Inbegriff des schwäbischen Viertele-Weines, ebenso wie der Vernatsch in Südtirol zur Vesper oder im Herbst zum „Törgelen“ getrunken wird.
Deshalb wollten wir in einer Vergleichsprobe (natürlich als Blindverkostung) die Weine aus den beiden Ländern gegeneinander stellen und prüfen, ob qualitative und geschmackliche Unterschiede zu erkennen sind.
Der erste Wein war ein 2013’er Trollinger vom Weingut Drautz Hengerer aus der Serie „Der Trollinger“. Er lief etwas außerhalb der Probe, da er doch sehr leicht war und durch die Maischeerhitzung auch einen leichten Kochton zeigte. Und vielleicht lag es nicht nur daran, sondern zusätzlich daran, dass der Wein als erster in die Verkostung ging: er bekam die schwächste Wertung des Abends.
Ein weiterer Trollinger aus Württemberg folgte, diesmal der 2013’er Helfenberger Schloßberg vom Weingut Golter, ebenfalls aus der Serie „Der Trollinger“ Er war wie der vorherige Wein leichter strukturiert, aber präsentierter sich trotzdem recht süffig. Er hatte eine kurze Maischerhitzung und dann noch eine kurze Maischstandzeit hinter sich.
Ein Südtiroler Wein, der 2013’er Vernatsch aus Gschleier, Alte Reben folgte. Für die Winzergenossenschaft Girlan ist er das Aushängeschild ihrer Vernatschweine. Bei der Bewertung blieb er auf der Höhe seines Vorgängers, obwohl er durch eine 14-tägige Maischestandzeit mehr Struktur, mehr Tannin und eine frische Säure zeigte.
Der fünfte Wein – wieder ein Trollinger aus Württemberg, der 2012’er Trollinger „S“ vom Weingut Kistenmacher & Hengerer war eine qualitative Überraschung, denn er war etwas verschlossen und nicht so fruchtig, hatte dafür aber mehr Struktur und festeres Tannin – eben ein Rotwein.
Aus Südtirol folgen zwei Vernatschweine aus der jeweiligen Top-Linie der beiden rivalisierenden Kalterer Genossenschaften
Der 2013‘er Kalterersee Auslese aus der Puntay-Serie der Ersten und Neuen Kellerei überzeugte mit zarter, runder Frucht, hatte aber auch eine leichte Herbe und ein festes Tannin.
Der 2013’er Kalterersee Auslese aus der Pfarrhof-Serie von der Kellerei Kaltern ähnelte seinem Rivalen, war aber noch etwas verschlossen. Erst nachdem er längere Zeit an der Luft gestanden hatte, konnte zeigte er seine Qualitäten.
Wir wechselten wieder nach Württemberg. Der 2012’er Trollinger „Tradition, von alten Reben“ vom Weingut St.Annagarten war eine positive Überraschung: Ein sauberer runder, fruchtiger und gut strukturierter Trollinger.
Danach war wieder Südtirol am Zug. Die nächsten Vernatschweine kamen nicht mehr vom Kalterer See sondern von den Berghängen direkt hinter Bozen, aus dem Gebiet um St.Magdalena. Diese Weine sind meist etwas kräftiger, da sie bis zu 15% Lagrein oder Spätburgunder enthalten dürfen. (Die Rebsorten werden meist im gemischten Satz mit dem Vernatsch angepflanzt).
Der 2013’er St.Magdalener „Huck am Bach“ aus der Toplinie der Winzergenossenschaft Bozen überraschte mit dichter Frucht und gutem Tannin und entsprach damit dem Rotwein-Verständnis der Verkoster deutlich besser. Das verhalf ihm zur besten Bewertung bis hierhin.
Dann aber kam noch der 2013’er St.Magdalener vom Weingut Waldgrieshof, Dieses Weingut ist eher für seinen Lagrein Riserva oder den süßen Rosenmuskateller bekannt ist. Aber hier zeigte es, dass man auch einen dichten, fruchtigen, gut strukturierten Vernatsch produzieren kann. Es war der bestbewertete Wein des Abends.
Auch die nächsten beiden Trollinger aus Württemberg zeigten, dass noch mehr geht. Der 2013er Trollinger „Von Alten Reben“ vom Weingut Wolf Peter Leiss war der erste Beweis dafür. Mit leichter Maischeerhitzung, danach aber mit Maischestandzeit über Nacht war dieser Wein erzeugt worden. Keine merkbaren Kochtöne aber eine gute Frucht und ein festes Tannin zeichneten diesen Wein aus. Allerdings auch er musste sich seinem Landeskollegen geschlagen geben.
Dieser 2013’er Trollinger „Goldadler“ vom Weingut Friedrich Zimmerle hatte vier Wochen Maischestandzeit hinter sich und dadurch eine herbe Frucht und ein festes, leicht adstringierendes Tannin. Das war nicht unbedingt ein typischer Trollinger, aber eben ein Rotwein. Und er stellt die schwäbische Ehre wieder her, denn er bekam die zweitbeste Bewertung des Abends.
Zum Abschluss blieb noch ein Vernatsch aus dem St.Magdalener-Gebiet, der 2013’er St.Magdalener Classico, „Pfannenstielhof“ vom Weingut Pfannenstielhof. Dieser Wein war Sieger im Vernatsch-Cup 2014 geworden – allerdings war die Meinung unter den Verkostern, dass die beiden Vernatsch-Weine davor doch besser waren. Nur süffig und rund zu sein reichte nicht.
Für die Anwesenden war es schwer die Herkunft – Südtirol oder Württemberg – zu erkennen, es fehlte einfach die Erfahrung mit diesen Trollinger- oder Vernatsch-Weinen.
Wenn die Südtiroler Weine in der Wertung etwas höher lagen, kann das daran liegen, dass man sich dort schon länger bemüht, den Ruf der Vernatsch-Weine wieder zu verbessern. Vernatsch oder Trollinger werden nie dicke, kräftige Weine sein sondern, bleiben eher recht leichte, eher süffiger Weine, aber sie gehören wie die lokalen Speisen zur jeweiligen Landschaft.
Verfasser: Dieter