12.11.2009 – Weingut Becker-Steinhauer aus Mülheim/Mosel

Als wir unser Jahresprogramm für 2009 zusammenstellten, kam von Uwe Lommertin der Hinweis auf das oben genannte Weingut, das Herr Karsten Becker nunmehr in der achten Generation als Weinbaubetrieb führt.

Aufsteigerweingut! Ja wer sagt denn sowas? Die weitere Vorausplanung dieses Probentermins ließ mich dann aber auch mal in die einschlägigen Veröffentlichungen in Buch und Presse schauen und siehe da, es gab eindeutige Hinweise auf eine solche Charakterisierung des Weinguts. Während der Weinguide Gault-Millau sich bei der Einschätzung der Jahrgangskollektionen von 2003 bis 2005 von dem Wort „gelungen“ zu dem Adjektiv „eindrucksvoll“ steigert, führt Eichelmann mit seiner Beschreibung des Jahrgangs 2005 mit den Worten „enorm kraftvoll, üppig“ über 2006 mit einem kurzen prägnanten Verweis: „keine Ausfälle“ hin zum Jahrgang 2007 mit der Beschreibung „leicht unruhige Art, aber konzentriert, rassig“ und vergibt dafür 3 ½ von 5 möglichen Sternen an dieses Weingut. Das verspricht doch einiges für die Zukunft. Umso gespannter dürfen wir sein, wie der Jahrgang 2008 von der Weinöffentlichkeit aufgenommen wird.

 

Einige der 2008er konnten wir denn auch in unserer Probe verkosten, nachdem die Probenfolge zunächst einmal mit einem Riesling-Sekt Brut eröffnet wurde, ohne Jahrgangsangabe zwar, aber -wie Herr Becker mitteilte- aus Grundweinen des Jahrgangs 2007 mit einem Öchslegehalt von 85-90°. Alle Schritte der Versektung bis hin zur Abfüllung wurden durch einen Lohnversekter auf dem Hof des Weinguts vorgenommen. Dabei lag der Sekt 18 Monate auf der Hefe und bedankte sich für diese lange Ruhezeit mit einem sehr feinen Mousseux im Glas, einer enormen Explosion der Bläschen im Mund bei gleichzeitiger Freigabe eines Aromas von Pfirsich und reifen Hefenoten. Ein unglaublich runder, eleganter Sekt, dem es gut getan hat, dass er für die zweite Gärung mit einer auf 24 g/RZ aufgesüßten Dosage aus demselben Grundwein ausgestattet wurde,

Davon hätte der Chronist gerne noch ein zweites Glas genossen….

Ich glaube: hab ich auch!

 

Während der zweite Wein ausgeschenkt wurde, gingen die ersten Fragen zum aktuellen Jahrgang 2009 bei Herrn Becker ein. Für ihn ist es ein mengenmäßig eher kleiner Jahrgang, mit hohem Peronospora-Risiko im Sommer, mit zu erwartender Säure bei den Rieslingen von knapp unter 10 °/oo (vor der Vergärung, entspricht in etwa 7°/oo beim fertigen Wein.) und vergleichbar sicherlich mit dem Jahrgang 2001. Herr Becker sieht sein eigentliches Problem in der Erntemenge, bei der er in 2009 mit erheblichen Einbußen rechnen muss.

 

Von diesen dunklen Gedankenwolken weg brachte uns der folgende Wein, nämlich der einzige im Weingut erzeugte Rotwein, ein 2007er Spätburgunder QW mit dem Attribut „Unfiltriert“ versehen. Entrappte Beeren mit 100° Oe kamen für diesen Rotwein für 3 Wochen in die offene Maischegärung (Bütten), Ausbau des Weines dann in kleinen Holzfässern, nämlich bordelaiser Barriques als Zweitbelegung und Abstich des Weines alle 3 Monate zwecks Umfüllung in ein weiters Barrique. Das Ganze findet 18 Monate statt, bevor er auf die Flasche kommt. Herr Becker setzt in diesem Zusammenhang auf französische Klone, die zwar etwas anfälliger für Botrytis sind, was aber durch rechtzeitiges und gezieltes Eingreifen in den Griff zu bekommen sei. Die Begeisterung über diesen Rotwein hielt sich etwas in Grenzen, wie man auch an der durchschnittlichen Bewertung erkennen kann. Zwar handelte es sich bei diesem Wein um ein sauberes Produkt mit wirklich nachvollziehbaren Spätburgundernoten, doch er ging eher als Leichtgewicht durch, trotz Barriqueausbau, heiter, beschwingt, ohne den Spätburgunderfreund in irgendeiner Form zu fordern.

 

An dieser Stelle könnte man die alte Diskussion über die Notwendigkeit von Rotweinen aus dem Moseltal wieder anzetteln. Ist aber müßig, da der Rotweinanbau in diesem Gebiet historisch belegt ist und eigentlich nur die Frage offen bleibt, ob der Winzer gute und sehr gute Anbauflächen dem Riesling vorenthalten will, weil er sie mit Spätburgunder bepflanzt, wohl wissend, dass der Spätburgunder bei seinen hohen Anforderungen an die Bodenqualität ebensolche Flächen braucht, damit etwas Anständiges aus ihm hervorgeht.

 

Als Drittes wurden wir mit einem 2008er Chardonnay QW konfrontiert. Ein Wein, der bei ca. 3000 Flaschen im Jahr nicht die wichtige Umsatzrolle im Weingut spielt und 1994 zum ersten Mal in den Handel kam. Auch an der Mosel reift er voll aus, wächst dort auf Devonschieferboden und ist im Jahr 2008 langsam spontanvergoren, weil die Gärzeit in eine Jahreskälteperiode fiel. Dieser Wein ist eine Vorliebe von Herrn Becker, der ein Praktikum in Chablis gemacht hat und deshalb offen bekannte, dass er auch heute noch den Chardonnay nachpflanzen würde, falls ihm entsprechend geeignete Flächen zur Verfügung stehen würden.

 

Aber nun ging es los mit Riesling, einem Veldenzer Kirchberg Kabinett trocken aus dem Jahre 2008. Bei 3 g/RZ und 6,9 g/L Säure sowie 11,5% Alc. erwischte uns der erste Riesling wie eine Keule: absolut knackig, aber versehen mit Pfirsichnoten. Hätte man bei diesen Analysewerten so nicht erwartet, ist aber wohl auch etwas den beiden Vorgängerweinen geschuldet. Zur Lage: diese hat die gleiche Ausrichtung wie die Wehlener Sonnenuhr (Süd-West), liegt aber geographisch einen Bergrücken südlicher von dieser und ist mit einer wasserführenden Unterschicht versehen.

 

Es folgte ein 2008er Riesling aus derselben Lage, jedoch als QW, auf dem Etikett mit dem Zusatz „1890“ versehen. Das Jahr 1890 ist das Entstehungsjahr des derzeit genutzten Gutshauses an der Hauptstrasse in Mülheim, gegenüber dem Anwesen des Richtershof, der wiederum eine sehr gute Adresse für kulinarische Höhenflüge nach einer angenehmen Weinprobe im Hause Becker-Steinhauer ist. Man muss dazu nur die Straße überqueren!

 

Zurück zum Wein: trotz 2-monatiger längerer Gärphase (in 3000 Ltr.-Fässern) als sein Vorgängerwein in dieser Probenfolge liegt dieser Wein etwas höher im Restzuckergehalt (7 g/Ltr.) bei etwa gleicher Säure. Statt Pfirsicharoma begegnete uns hier das Aroma einer Grapefruit, leicht verdeckt allerdings noch durch Hefenoten aufgrund der bis in den April hinein dauernden Gärung. Überhaupt zeigte sich dieser Wein doch eher verschlossen, so dass man ihm ruhig noch ein halbes Jahr zur Entwicklung geben sollte.

 

Herr Becker ließ an dieser Stelle auch die Flaschenverschlussproblematik anklingen. Naturkork oder Plastikkork oder Schraubverschluss? Die Zahlen sprechen für sich und für die Philosophie des Hauses: Herr Becker benutzt derzeit den Schraubverschluss – mit innen liegendem Alu-Plättchen in der Schraubkapsel – bei 70% seiner erzeugten Weine, Tendenz steigend. Man darf gespannt sein auf die Ergebnisse der ersten Langzeitbeobachtungen. Erst dann wird man auch eine Aussage machen können, wie groß oder klein der Einfluss dieser Verschlussart auf das Lagerpotenzial der Weine ist.

 

Als nächster Wein kam ein 2008er Zeltinger Schlossberg Spätlese trocken mit dem Hinweis „Die Steinmauer“ auf dem Etikett. Dieser aus einer ehemaligen Veldenzer Einzellage stammende Wein, aufgegangen in der Lage Zeltinger Schlossberg, stammt dem Volksmund nach von einer durch eine Steinmauer abgestützte und hinter ihr mit Schieferbruch auf Fels aufgeschütteten Parzelle, die dem Wein eine rauchige Note von Feuerstein verleiht. Diese Note war auch noch im Glas nach zu vollziehen, begleitet allerdings auch noch von Noten der Spontanvergärung. Trotzdem ließ die Würze dieses Rieslings erahnen, welches Potential in diesem Wein steckte, die ihn zu einem langlebigen Vertreter seiner Art macht.

 

Weiter ging es mit einem 2007er Veldenzer Kirchberg herb, Alte Reben. Im Gegensatz zu der gesetzlich vorgegeben Definition, wonach ein Alter von 20 Jahren ausreicht, um die Bezeichnung „Alte Reben“ auf dem Etikett verwenden zu dürfen, liegt das Alter dieser Reben im Weingut Becker-Steinhauer bei über 70 Jahren. Es handelt sich hier um wurzelechte Stöcke, die im Jahre 1937 gepflanzt wurden und in dieser Parzelle noch zu 70% aus dem Erstbestand stammen. Dieser Wein liegt mit 8 g/RZ am oberen Bereich der Geschmacksrichtung trocken, was noch unterstützt wurde durch die in diesem Falle für einen Riesling geringe Säure von nur 5,9 g/Ltr.

 

Er hatte denn auch zu kämpfen mit dem parallel laufenden Wein aus dem Jahr 2008, einer Veldenzer Carlsberg Spätlese, feinherb, die mit 18g/RZ und einer knackigen Säure von 8,8 g/Ltr. zu gefallen wusste. Aus dieser Kleinstlage, die man geschickt aus allen bisherigen Flurbereinigungen heraushalten konnte und der man in Burgund das zusätzliche Attribut eines Weinbergs „en clos“ verleihen würde -denn er ist mit einer Mauer umfriedet und im Weinberg selbst befindet sich auch noch ein bauliches Kleinod: ein altes Weinbergshäuschen- stammen sehr komplexe Weine, was mit dem Wein vor uns im Glas bewiesen werden konnte. Herr Becker gab zu, dass der 2007er ein eher reifer Jahrgangsvertreter war. Beim 2008er dagegen musste er bis in den November hinein kämpfen, bis das Traubengut seinen Vorstellungen und Ansprüchen gerecht wurde. Erst dann waren 90° Oechsle zusammengekommen, die ihm im Ergebnis diesen klassischen Moselriesling in die Flasche brachten. Dieser Wein war ein Genuss!

 

Vor dem einzigen aktuellen milden Vertreter und den edelsüßen Weinen mussten wir dann erst einmal eine „Testphase“ durchmachen, denn es folgten zwei sehr gereifte Weine und zwar einmal ein 1982er Veldenzer Kirchberg Spätlese und ein 1994er Brauneberger Juffer Auslese. Ich gebe zu: als die Flaschen vor der Probe bei mir eintrafen, habe ich erst einmal gestutzt und gedacht: na, hoffentlich geht das gut! Aber siehe da: auch wenn wir es bei dem 1982er mit zwei unterschiedlichen Entwicklungen in der Flasche zu tun hatten (A- und B-Flasche), so war doch die bessere von den beiden in einem überraschend guten Zustand, was Herr Becker damit erklärte, dass dieser Wein eben von sehr steinigem Boden auf Devonschiefer stammt, der mineralisch sauer ist und mit hohen pH-Werten aufwartet und so dem Wein eine große Langlebigkeit verleiht. Die Flaschen hatten noch keinen Korkwechsel mitgemacht und auch mit der Füllhöhe war alles noch in Ordnung.

 

Noch eindrucksvoller trat der 1994er Wein auf. Bei einem Lesegut mit 100° Oechsle konnte er locker als Auslese durchgehen und brachte zudem eine erfrischende Säure von 9 g/Ltr. mit. Diese Säure ließ den Wein leben und auch heute noch einen vitalen Eindruck machen, auch wenn eine leichte Firne zu erkennen war. Diese trat aber nur sehr zurückhaltend in Erscheinung, so dass sie nicht störte. Der Wein hatte ganz einfach Charme und Brillanz, klar bis auf den Grund.

 

Die nun folgenden zwei Weine mit deutlicher Restsüße spalteten die Weinfans. Es handelte sich um einen 2008er Veldenzer Carlsberg Riesling Spätlese und einem 2006er Veldenzer Kirchberg Riesling Auslese/2 Sterne.

Der 2008er wusste mit 80g/RZ und 9 g/S durch ein schönes Frucht-Säure-Spiel zu beeindrucken, obwohl vielen Probanden zum wiederholten Male die „Spontinote“ in die Nase stieg und sie so von einer höheren Bewertung abhielt, wohl wissend, dass sich diese Note erfahrungsgemäß nach einem halben bis ¾-Jahr verflüchtigt oder man rückt dem Wein heute schon mit viel Belüftungstechnik zu Leibe. Da wir aber die Weine nach ihrem Ist-Zustand beurteilen, muss man diesen Einwand wohl akzeptieren.

Wem dieser Wein nicht so gefiel, der durfte sich dann am nächsten Wein, dem 2006er, erfreuen. Wieder mal ein Wein, den sich Herr Becker „erarbeiten“ musste, denn 2006 war ein Botrytisjahr mit nassem Herbst, die Beeren platzten und man konnte förmlich zusehen, wie am Stock die Erntemenge zum Teufel ging. Rasches Handeln war angesagt, denn die täglichen Mengenverluste lagen bei 8-10%. Dennoch gelang es ihm, einen Wein mit knapp unter 130 g/RZ und 7,5 g/S auf die Flasche zu bringen, bei dem nun wiederum eine andere Fraktion der Weinfreunde von lediglich vordergründiger Süße sprach.

 

Und die 2 Sterne auf dem Etikett? Lediglich eine Kennzeichnungsmethode für den Restzuckergehalt:

2 Sterne = mind. 100g/RZ

3 Sterne = über 130 g/RZ

 

Egal, wer welche Vorbehalte gegen welchen der beiden restsüßen Weine auch hatte: beide erhielten die bis dahin höchste Benotung in dieser Probenfolge. Zwei wirklich gelungene Vertreter der restsüßen Geschmacksrichtung.

 

Doch dann machte die Nummer 13 die Runde. Es wurde etwas stiller im Raum, obwohl die Zeit schon fortgeschritten war und die Probanden dann eher umgekehrt reagieren. Das war der krönende Abschluss: eine 2007er Veldenzer Kirchberg Riesling Beerenauslese mit 240 g/RZ und 11 g/S!

Alle haben diesen Wein mit seinen Honigtönen, Marzipannoten und Kernobstanklängen genossen. Ein Wein als Elixier mit extremem Lagerpotential von geschätzten 50 bis 80 Jahren (Originalton Karsten Becker). Und da sagt doch sein Erzeuger so nebenbei –als ob er das empfangene Lob herunterspielen wollte- : der war in diesem Jahr doch leicht zu produzieren!!! – Hallo?? Das tat der guten Benotung aber keinen Abbruch, denn das Produkt sprach für sich selbst! Konsequenz: höchste Benotung des Tages für diesen „Hammerwein“!

 

 

Und als ob wir es mit unserer Probe heraufbeschworen hätten:

Während ich diese Zeilen schreibe, schickt mir Herr Becker als E-Mail einen Auszug aus dem Weinguide Gault-Millau 2010, seit 20.11. im Buchhandel erhältlich, von mir aber noch nicht eingesehen, und was sehe ich da:

 

Herr Becker hat seine dritte Traube bekommen!!!

 

Herzlichen Glückwunsch Herr Becker!

 

Das war ja mal wieder ein Volltreffer. Jedes Jahr gerne wieder.

 

 

Verfasser: Wolfgang Klug

Probenergebnis 12.11.2009: Weingut Becker Steinhauer (PDF)


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