So, die Probe ist vorbei. Ich denke, es war ein guter Abend. Alle Teilnehmer sind gegangen, unser Gast auch. Alle schienen zufrieden.
Eigentlich hat auch alles gut geklappt.
Die Vorbereitungen waren rechtzeitig abgeschlossen, alle Gläser poliert, ausreichend Wasser vorhanden, die Tische eingedeckt, Brot war auch da, – eigentlich wie immer.
Die Probenliste kam im letzten Augenblick, die Flaschen konnten noch rechtzeitig beschriftet werden; auch nicht zum ersten Mal.
Die Probe war, wie in der letzten Zeit häufig, gut besucht, fast dreißig Teilnehmer.
Unser Gast heute, Florian Fauth vom Weingut Seehof, jung, sehr nett, sehr offen für alle Fragen und kompetent in seinen Antworten.
Begonnen wurde der Abend mit einem 2009 Riesling Sekt brut – Premium.
Feinperlig, frisch, rieslingtypisch fruchtig, dank des biologischen Säureabbaus und langem Hefelager (18 Monate) aber nicht hart. Ein eleganter Sekt, ein gelungener Einstieg in den Abend.
Aber noch stehen 12 weitere Weine auf der Probeliste.
So folgt als einziger Rotwein der 2009 Spätburgunder „Derby“ trocken aus der Westhofener Steingrube. Im Namen findet sich der sportliche Erfolg von Vater Ernst Fauth als Gespannfahrer wieder, im Glas hingegen ein ziegelroter, transparenter Spätburgunder. Weich am Gaumen mit verhaltenem Duft zeigte sich hier ein harmonischer Wein ohne Ecken und Kanten.
Nun kann man diskutieren, ob der nachfolgende Pinot Noir Rose als Rotwein im strengeren Sinne anzusehen ist. Von der Rebsorte her ein klares Ja, von der Vinifizierung ein klares Nein.
Das Ergebnis jedenfalls ist ein duftiger und leichter Rosé-Wein mit Charakter, der bei warmen Temperaturen Lust auf ein gut temperiertes zweites oder drittes Glas macht, kein Wein zum philosophieren, ein Wein zum trinken.
Spargelzeit = Silvanerzeit? Nicht zwingend aber auch. Der vorgestellte grüne Silvaner 2011 ist als Basiswein mit 6 g Säure und 3,5 g Restzucker überraschend cremig. Ein langes Hefelager bietet die entsprechende Erklärung.
Aufmerken lässt der folgende 2011 Westhofener Auxerrois trocken „vom Kalkstein“. Duftig in der Nase, verleiht ihm sein felsiger Untergrund eine angenehme Säure und Frische. Die Kombination von Holz und Edelstahl (20% altes Barrique/80% Edelstahl) steht dem Wein sehr gut.
Mit diesem Wein haben wir das Segment der Ortsweine erreicht. Das Weingut Seehof verfolgt, wie mittlerweile zahlreiche andere Winzer, konsequent die Umstellung der Weinbezeichnung hin zu Gutsweinen, Ortsweinen und für das Spitzensegment die Lagenweine.
So sind auch die drei folgenden Weine Ortsweine: „Westhofener vom Kalkstein“.
Frisch gefüllt zeigt sich der Weiße Burgunder 2011 trocken mit deutlich eingebundener Säure, fast schon etwas weich. Aber das hochreife Lesegut (97° Oechsle) bringt eben einen gehaltvollen und keinen kantigen Wein hervor (und das ist auch gut so).
Schmelz, Fülle und dezentes Holz zeichnen den 2011 Grauer Burgunder trocken aus, kurzum er schmeichelt sich erfolgreich ein und bleibt in Erinnerung, selbst wenn das Glas bereits leer ist.
Pause, – Abfrage der bisherigen Weinbewertungen, angeregte Diskussion über gemeinsame und unterschiedliche Eindrücke, teilweise kontrovers, aber kein Antrag auf Ausschluss wegen mangelndem Geschmack.
Es folgen die Rieslinge, für manchen die „Königsklasse“.
2011 Westhofener Riesling „vom Kalkstein“, schöne Säure und Mineralität, zart salzig, sehr klar und sauber gemacht, ein schöner Riesling vereint die besten Lagen des Weinguts.
Boden – das Stichwort der folgenden zwei Lagenweine:
2011 Westhofener Morstein Riesling trocken und 2010 Westhofener Steingrube Riesling trocken.
Die Lage Morstein befindet sich in 140-280 m über NN. Mit einer Ausrichtung von Südwest bis Süd kommt dieses besonders dem Riesling zugute, da dieser die beste Assimilationsleistung in den Abendstunden zeigt. Das privilegierte Kernstück umfasst ca. 50 ha im Mittelhang des großen Morsteins.
Der Boden besteht aus tonigem Mergel mit Kalkstein in der Oberschicht, entstanden aus den Korallenbänken des tertiären Urmeeres.
Die Westhofener Steingrube führt ihren Namen auf einen alten, bereits im Mittelalter erwähnten Steinbruch zurück.
Löß-Lehmboden mit hohem Kalkstein- und Eisengehalt, nach Süden ausgerichtete leichte Hanglage.
Das Ziel, bei beiden Weinen den Boden herausstellen und weniger eine bestimmte Frucht, ist gelungen.
Beiden Weinen ist gemeinsam, dass eher die gelben Früchte, wie reifer Pfirsich und Aprikose, den Eindruck bestimmen.
Die Steingrube wirkt mineralischer, mit zarter Salzigkeit.
Was soll ich zu diesen Weinen noch alles sagen?
Sie sind Spitzenweine, dicht, aromenreich mit wunderbarer Länge, kurz, jeder ein Genuss. Unterschiede? Ja, aber kann ich alle Nuancen zutreffend wiedergeben? Was bleibt: Probieren und genießen.
Gleiches gilt für die 2009 Westhofener Morstein Riesling trocken „Alte Reben“.
Viel Schmelz, etwas Holz, cremig, reife Frucht und schöne Mineralität.
Der Abend ist fast vorbei, noch stehen zwei Scheureben auf dem Programm. Nach den ausgezeichneten Rieslingweinen eine spannende Fortsetzung.
2011 Westhofener Scheurebe trocken “vom Kalkstein“, ein Hauch von Stachelbeere, exotische Früchte, eine präsente Säure und ein schöner Abgang .
Aber dann das Finale mit der 2011 Westhofener Morstein Scheurebe Trockenbeerenauslese: ein ganzer Korb an exotischen reifen Früchten, eine eingebundene aber deutliche Säure gepaart mit einer fruchtigen Süße und Mineralität und einem sehr, sehr, sehr langen Nachhall. Das Glas ist schon lange leer, der Wein ist aber immer noch in der Nase, auf der Zunge … .
Ja, ich bin mir sicher, es war ein guter, ein sehr guter Abend. Das Weingut Seehof hat wirklich tolle Weine. Rheinhessen wurde heute ganz stark vertreten.
Was bleibt, ist, die Gläser zusammen zu räumen, das Licht zu löschen und Florian Fauth ein herzliches „Danke und bis bald“ hinterher zu rufen.
Verfasser: Jörg Kleimeier
Probenergebnis der Probe vom 10.5.2012 Weingut Seehof (PDF)