Da hatten wir uns einer Herausforderung gestellt: eine Blindprobe von 14 Weißburgundern aus den verschiedensten Anbaugebieten Deutschlands aber auch aus den europäischen Nachbarländern. Alle waren gespannt wie wir uns dabei schlagen. Axel Daub und Wolfgang Klug hatten diese Probe mit viel Engagement vorbereitet. Axel Daub hatte dankenswerter Weise die Rolle des Kellermeisters übernommen und Wolfgang Klug, der die Probe leitetet, setzte ein ‚Pokerface‘ auf und auch mit verschiedensten (Fang-) Fragestellungen war nichts Verräterisches aus ihm herauszubekommen.
Zur Weißburgunder Traube ist bekannt, dass diese wohl durch Mutation aus dem Grauburgunder entstanden ist, der seinerseits aus dem roten Spätburgunder mutiert ist. Als Pinot Blanc ist die Traube bereits seit dem 14. Jhdt. in Frankreich, Burgund, erwähnt. Weltweit wird auf ca. 17.000 ha Weißburgunder angebaut. Die größte Verbreitung hat der Pinot Bianco in Italien (ca. 6.850 ha) – dabei Südtirol mit 475 ha (2009) -, in Deutschland (ca. 4.000 ha), in Österreich (ca. 3.000 ha) und in Frankreich (ca. 1.400 ha).
In Deutschland verteilen sich die Mengen wie folgt (Stand 2010):
Baden 1.228 ha, Rheinhessen 959 ha, Pfalz 955 ha, Mosel 268 ha, Nahe 238 ha, Franken 133 ha, Saale-Unstrut 92 ha, Württemberg 87 ha, Sachsen 58 ha, Rheingau 43 ha, Hess. Bergstraße 18 ha, Mittelrhein 13 ha und Ahr 12 ha.
Als Charaktereigenschaften werden beim Weißburgunder zunächst eine wesentlich geringere Säure als bei Rieslingweinen genannt und eine relativ neutrales Aroma. Bei entsprechender Reife können jedoch außergewöhnlich finessenreiche und fruchtige Weine entstehen, die gelegentlich auch leicht nussig sein können. Die Frucht erinnert an reife Äpfel, Banane und Aprikosen.
Mit solchen Kenntnissen starteten wir mit dem ersten Wein. Auf den Jahrgang, in diesem Fall 2010, konnte man sich schnell einigen. Wir schmeckten Ananas, Banane – harmonische Säure, leichte Holznoten – als erster Tipp wurde Baden als Herkunftsregion genannt – aber zur Überraschung fast aller: es war ein Weißburgunder von der Mosel vom Weingut Reichsgraf von Kesselstatt, ein reines Rieslingweingut, das für diesen Wein die Trauben von der Obermosel zukauft und dann noch eine Teilpartie in das Große Holzfass legt. Das Weingut ist das älteste im Gebiet Mosel-Saar-Ruwer, wurde bereits 1349 erstmalig urkundlich erwähnt, hat seit 1746 seinen Sitz im Palais Kesselstadt und betreibt seine Kellerei seit 1987 auf Schloß Marienlay in Morscheid (Ruwer).
Beim nächsten Wein machte die Jahrgangszuordnung wieder die geringsten Probleme, ebenfalls 2010. Wir fanden in der Nase Grapefruit, dann eine vordergründige Säure – vermissten aber Fülle und ordneten den Ausbau im Stahltank zu. Aber auch hier, der Tipp Franken, vom Weingut Brennfleck, kam nur sehr verhalten. (Wir hatten im letzten Jahr, am 15.04.2010, bei der Vorstellung des Weingutes Brennfleck die Gelegenheit, den Jahrgang 2009 dieses Weißburgunders zu verkosten; dieser wurde damals mit 14,52 Punkten – 2010 nur mit 13,67 – bewertet). Bei dem Weingut Brennfleck wird seit 1851 Weinbau betrieben, heute auf 24 ha und zugekauft werden noch Trauben von weiteren 12 ha. Zu erwähnen ist noch, dass das Weingut Brennfleck Mitglied von ‚Frank und Frei‘ ist.
Die Probe wurde mit einem Wein fortgesetzt, der uns in der Nase etwas mostig vorkam mit sehr milder Säure – die Frage nach Entsäuerung war gestellt und damit waren wir auch schnell wieder beim Jahrgang 2010. Eine Zuordnung fiel schwer und das Elsass hatten wir nicht in der engeren Wahl. Erzeugt wurde der Wein von der Cave Vinicole d’Ingersheim, die seit fünfzehn Jahren von Direktor Pascal Keller und Önologe Pierre Sibille geleitet wird. Der Schwerpunkt der Kooperative liegt dabei auf der Weißweinbereitung. Um ein Maximum an Aromen zu bewahren, wird eine möglichst schnelle Handhabung des Leseguts verlangt, die gesamte Vinifikation ist auf die Fruchtigkeit ausgerichtet. Wir konnten diese leider nicht nachempfinden, und so erhielt dieser Wein an dem Abend die niedrigste Bewertung.
Der vierte Wein kam sehr säurebetont, schmeckte nach grünem Apfel aber mit wenig Fülle am Gaumen, auch hier konnten wir keine spontane Zuordnung treffen. Dass es sich dabei um einen Wein der Domäne Wachau der Qualitätsstufe Federspiel aus dem Jahr 2010 handelte, war dann doch eine Überraschung. Etwa 440 ha der Weinberge im Weltkulturerbe Wachau mit ihren Trockensteinmauern und steilen Terrassenlagen werden von den Mitgliedern der Qualitätsgenossenschaft (ca. 750 Winzer) bewirtschaftet: Das sind rund 40 % der Ernte der Wachau.
Beim Wein Nr. 5 fanden wir zunächst noch etwas grüne Töne in der Nase, die aber, wenn der Wein etwas Luft bekam, sich zu Tönen reifer Früchte entwickelte. Auch hier gelang die Zuordnung erst im zweiten Anlauf: die Herkunft war das Weingut Kurz-Wagner aus Talheim, Württemberg, und der Wein (Jahrgang 2010) stammte vom Talheimer Schloßberg. Das Weingut, 14 ha, wird seit 3 Generation (1964 gegründet) betrieben und erzeugt ausschließlich Gutsweine.
Im Wein Nr. 6, ebenfalls Jahrgang 2010, entdeckten wir deutliche Ananastöne und angenehme Mineralik bei einer angenehmen Säure. Dieser Wein fand große Zustimmung und der Ausbau im großen Holzfass unterstützte die reifen Noten. Wieder einmal lagen wir mit unseren Tipps: ‚Südpfalz‘, ‚Rheinhessen‘ nicht richtig. Wie sich dann aufklärte, basierte die Mineralik auf den vulkanischen Verwitterungsböden mit Lößlehm des Weingutes Dönnhoff von der Nahe, einem Weingut mit 29 ha. Die Erträge liegen bei 59 hl/ha und es gilt als eines der (das?!) führenden Weingüter der Nahe.
Auch Wein Nummer 7 fand regen Zuspruch. Wir fanden Vanilletöne – schlossen auf Holzeinsatz und lagen damit auch richtig. Wir hatten einen 2010er Weißburgunder vom Weingut Wittmann aus Rheinhessen im Glas, bei dem überwiegend Holzfaßausbau angewandt wird. Beim Weingut Wittman (Kellermeister: Philip Wittmann – VDP-Vorsitzender in Rheinhessen) mit 25 ha Anbaufläche und einem Durchschnittsertrag von 55 hl/ha ist seit 2003 die biodynamische Arbeitsweise eingeführt.
Mit Wein Nr. 8 hatten wir wieder einen 2010er Weißburgunder aus Österreich im Glas, diesmal aus Niederösterreich (Weinviertel), vom 16 ha großen Weingut Studeny in Obermarkersdorf. Vater, für den Weingarten verantwortlich, und Sohn, zuständig für die Bereiche Kellertechnologie und Vermarktung, betreiben gemeinsam das Weingut: Ihr Ziel ist, eigenständige charaktervolle Weine mit Tiefe zu produzieren, die einerseits den Sortencharakter optimal wiedergeben und andererseits die Gebietstypizität klar zum Ausdruck bringen.
Wein Nr. 9, ein Wein aus Rheinhessen aus dem Jahrgang 2009, erfreute uns mit Mineralik und einem langen Abgang. Er war beim Weingut Michael und Hans Fleischer, Mainz, auf Kalkgestein mit Lehm gewachsen. Die Familie betreibt seit 1742 Weinbau und bewirtschaftet derzeit 20 ha; der Durchschnittsertrag liegt bei 71 hl/ha.
Der Wein Nr. 10 stammte dann aus Baden vom Weingut Huber aus Malterdingen, dessen Hauptgewicht auf dem Spätburgunder liegt. Wir schmeckten einen schlanken Wein mit leichten Holztönen, vermissten aber Aromen und Mineralik. Wir waren etwas enttäuscht; wir hatten bei einem Badischen Weißburgunder aus dem Jahr 2009 mehr Fülle und Finesse erwartet.
Ebenfalls enttäuschend war Wein Nr. 11 als Vertreter von Südtirol. Der als Cuvée erzeugte ‚Strahler‘ aus dem Jahr 2009, eine Spezialität des Weingutes Stroblhof, wird als gemischter Satz (90 % Weißburgunder, 5 % Chardonnay und 5 % Grauburgunder) angebaut. Der Stroblhof – Hotel, Restaurant und 3,5 ha großes Weingut – liegt in Eppan und die Reben werden in 600 m Höhe angebaut. Leider fehlten dem Wein Frische und Fülle, was sich auch in einer schwächeren Bewertung ausdrückte.
Wir setzten die Probe mit einem von Geschmack sehr typischer Vertreter der Weißburgunder fort, der bei feingliedriger Struktur neben schönen Fruchtaromen noch intensive Holztöne aufwies. Er erfüllte wohl die Vorstellungen der meisten Weinschwestern und -brüder an einen Weißburgunder, denn er erhielt die höchste Bewertung. Der Wein aus dem Jahr 2010 stammte vom 9,5 ha großen Weingut Lindenhof aus Windesheim an der Nahe. Das Weingut betreibt Ertragsreduzierung (Ausdünnen), differenzierte Handlese, baut einen Teil seiner Weine im Barrique aus und kommt auf einen Ertrag von 54 hl/ha.
Wein Nr. 13 aus dem Jahr 2009 stellte sich nicht als klassischer Vertreter seines Anbaugebietes dar. Es kamen daher nur sehr zögerliche Hinweise, dass dieser Wein von der Pfalz sein könnte. Er stammte vom Weingut Karlheinz Becker aus Heuchelheim-Klingen. Das nur 10 ha große Gut war früher ein landwirtschaftlicher Gemischtbetrieb mit Fassweinvermarktung. Heute werden 2/3 der Produktion als Flaschenwein vermarktet. Rotweine nehmen inzwischen 30% der Rebfläche ein.
Mit dem letzten Wein kamen wir nochmals nach Südtirol, diesmal in den Vinschgau, und wir verkosteten einen 2010er Weißburgunder vom Weingut Unterortl, in Kastelbell. Das Weingut, das seit 1992 von Reinhold Messmer betrieben wird, liegt unterhalb von Schloss Juval. Die Steilheit dieser Hügel von Juval erlaubt nur minimalen Einsatz von Maschinen, so dass die Bearbeitung zum größten Teil in Form von Handarbeit bewältigt wird. Das einmalige Kleinklima mit hohen Tagestemperaturen, kühlen Nächten und viel Luftbewegung trägt dazu bei, besonders fruchtbezogene Qualitätsweine zu produzieren.
Alle Teilnehmer waren erfreut über die gezeigte Bandbreite an Mineralik, Aromen und Nachhaltigkeit, die bei dieser einen Rebsorte zu finden ist. Dies ist einmal bedingt durch Böden und Klima, wird aber dann auch durch Weinbergsarbeit und Ausbau im Keller geprägt. Für die Zusammenstellung dieser Probe nochmals ein herzliches Dankeschön den Ausrichtern Axel Daub und Wolfgang Klug und die einhellige Meinung des Kreises war: mehr Proben dieser Art!
Verfasser: Carla und Christian Beyer
Probenergebnis der Weinprobe vom 11.08.2011 Blindprobe Weißburgunder (PDF)