Technikprobe am 24.01.2011

Alle hatten es sich ja gewünscht, dass unsere diesjährige Technikprobe wieder das Thema Weinfehlern behandeln sollte.  Damit war natürlich klar, dass es nicht unbedingt eine Genussprobe für den Start ins Neue Jahr würde.

Erfreulicherweise hatte sich Frank John als Önologe wieder bereit erklärt, uns trotz seiner dienstlichen Belastung eine Probe zusammenzustellen. Bei seiner Beratungstätigkeit wird er mit einer Vielzahl an mehr oder weniger fehlerhaften Mustern konfrontiert, aus denen sich eine Probe zusammenstellen liess. (Alle Proben waren natürlich streng anonym auf unsere Weinprobe präsentiert worden)

Doch bevor es an die Verkostungen der Kellermuster ging, stellte Frank John das umstrittene Weinjahr 2010 aus seiner Sicht dar.

Es war ein Jahr der Extreme: Viel Schnee und Frost im Januar und Februar, der März war nasskalt mit zu viel Wasser. Der April war dann zwar trocken, dafür aber weiter kalt – teilweise auch  mit  harten Nachtfrösten, die die austreibenden Reben teilweise stark geschädigt haben.

Der Mai als „Weichenmonat“ begann schon in der ersten Woche mit ca. 100 mm Niederschlag – normal sind 40 – 60 mm für den gesamten Monat Mai. Die Niederschlagsmenge stieg bis zum Monatsende auf 220 mm in der Pfalz, in der Wachau bis auf 240 mm und im Weinviertel auf 250 mm.

Die Folge war – trotz des kalten Wetters – ein deutlicher Pilzbefall an den sich bildenden Gescheinen (Blütenstände). Dadurch wurde die mögliche Erntemenge schon um ca. 30% gemindert. Sehr ungleiche Entwicklung der Gescheine während der Blüte führte zu einer weiteren Ertragsminderung um ca. 10%.

Dann kam viel Wärme im Juni und Juli. Der August wiederum führte zu einem Sonnendefizit gegenüber dem statistischen Jahresmittel. Erst dann kam ein schöner Herbst der zu sauberen, reifen Trauben führen konnte, aber nur für den, der beim Pflanzenschutz und bei der Laubarbeit alles richtig gemacht hatte. Alle anderen hatten mit deutlichen Ernte- und Qualitätsverlusten zu kämpfen.

Nun zu unseren Demonstrationsmustern:

Wein Nr. 1:

Der Wein wies eine deutliche, etwas spitze Fruchtsäure mit stark grünen Tönen nach Apfel und Citrus auf. Es war zu unserer Überraschung ein 2010’er Müller Thurgau aus Franken mit 10,8 g/l Säure. Er war nicht entsäuert worden, dafür hatte man ihm aber ca. 20 g Restsüße gelassen – diese Süße konnte man aber nicht schmecken, sie ließ aber den Wein deutlich weicher und weniger säurebetont erscheinen. Dadurch, dass der Wein nicht entsäuert war, zeigte er sich zwar nicht mehr als typischer fränkischer Müller Thurgau, hatte aber Frucht und Charakter behalten – eher wie ein würziger Riesling von der Saar.

Wein Nr. 2:

Dieser Wein wirkte dagegen breit, alt, flach, bitter, etwas staubig. Wegen der jahrgangsbedingten hohen Säure von 14 g/l sollte er über eine Doppelsalz-Fällung behandelt werden – nur war dabei ein Fehler begangen und über das Ziel hinaus auf 3,5 g/ l entsäuert worden. Dadurch fehlte ihm die Frische und durch überschüssige Calcium-Ionen aus der Entsäuerung war er zudem bitter und stumpf geworden.

Für einen Silvaner aus der Spätlese-Klasse war das enttäuschend.

Wein Nr. 3:

Dieser Wein war aus dem gleichen Roh-Most wie Wein 2 entstanden, aber es war  mit Kalk nur einfach auf 9,8 g/l entsäuert worden. Dadurch wirkte er noch sehr grün, grasig und vegetabil. Durch überschüssige Calcium-Ionen nach der Entsäuerung war er wie sein Vorgänger bitter geworden.

Wein Nr. 4:

Er zeigte einen quarkigen Ton nach Diacetyl, Durch schlechte Qualität des Leim­korkens hatte dieser 2008’er Sauvignon blanc, einen deutlichen Klebstoffton ange­nommen.

Wein Nr. 5:

Er hatte einen leichten Geruch nach Toilettensteinen. Auch handelte es sich um einen 2010’er  Sauvignon blanc,  der zu früh und damit unreif geernet wurde. Aufgrund seiner hohen Säure wurde er von 16 g/l um 50% auf erträgliche 8 g/l entsäuert, aber die Pyrazin-Verbindungen, die aus den unreifen Sauvignon blanc-Trauben stammen, wurden natürlich nicht abgebaut, denn sie vermindern sich in der Traube nur bei ausreichender Reife. So wird der Wein durch die Pyrazin-Verbindungen deutlich dominiert und ist damit nicht als Sauvignon blanc zu vermarkten.

Wein Nr. 6:

Dieser Wein zeigte sich als 2010’er Gewürztraminer sehr kratzig und mit einem deutlichen Essigstich. Tatsächlich liegt hier der Anteil an flüchtigen Säuren bei 1,3 g/l, die erlaubt Grenze ist mit 0.7 g/l deutlich niedriger. Damit ist dieser Wein nicht mehr verkehrsfähig und darf nur noch zu Essig verarbeitet oder zu Alkohol destilliert werden.

Ein Essigstich entstand früher oft dann im Keller, wenn es sich um einen gemischt­wirtschaftlichen Betrieb handelte, in einem auch Viehzucht betrieben wurde. Heute entstehen diese Fehler fast ausschließlich bei mangelnder Arbeit im Weinberg. Ein zusätzliches Risiko stellen Vollernter dar, die im Laufe des Tages zu einer Brutstätte für die Essigbakterien werden können.

Wein Nr. 7:

Er ist aus dem gleichen Roh-Traubenmost entstanden wie Wein Nr. 6, nur dass entsäuert wurde. Er zeigt noch leichte Ester-Noten, ist aber mit 0.1 g/l flüchtigen Säure unterhalb der erlaubten Grenze. Diese Variante war verkehrsfähig, aber als hochpreisiger Gewürztraminer natürlich nicht geeignet.

Wein Nr. 8:

Nun kamen wir zu den Rotweinen. Wir verkosteten einen 2009’er St.Laurent aus der Thermenregion, der einen leichten Bretanomyces-Ton (Pferde-Schweiss) hatte und zusätzlich etwas mäuselt (Geruch nach Mäuse-Harn). Der Bretanomyces-Ton kommt oft mit diesem leichten Mäuseln (von Lactobazillus brevi) zusammen und lässt die Weine dann breiter, indifferenzierter, aber auch weicher im Tannin erscheinen. Früher gehörte dieser Ton oft zu Rotweinen, da die Fasshygiene ohne Hochdruckreiniger und anderer Reinigungsmaßnahmen nicht ausreichend war, um die Entwicklung der entsprechenden Keime in den Holzfässern zu verhindern.

Wein Nr. 9:

Dieser Wein zeigte sich als 2009’er Zweigelt mit dichter, pflaumiger Frucht und Struktur. Trotzdem wirkte er dumpf und stechend, da seine flüchtigen Säure bei 0,8 g/l lag. Sehr bedauerlich für diesen dichten, intensiven Wein, der durch die flüchtige Säure deutlich verloren hatte und mit 0,8 g/l auch nicht mehr verkehrsfähig ist.

Wein Nr. 10:

Hier handelte es sich um einen dunklen 2005’er Barbera aus den Marken. Er zeigte eine etwas unsauberer Nase und vor allem ein eigenartiges Tannin. Für eine leichte Mikro-Oxidation war er in alten gebrauchten Barriques ausgebaut worden. Um die Farbe zu stabilisieren und etwas mehr Tanninstruktur zu erreichen, wurde er zusätzlich mit Tannin-Extrakt behandelt.  Auch wenn diese Tanninzugabe in Italien für viele Barbere üblich zu sein scheint, brachte die Tanninzugabe kein stimmiges und harmonisches Ergebnis zwischen Frucht und Tannin.

Wein Nr. 11:

Wir hatten einen  2007’er Cabernet Franc von der Loire (Chinon) vor uns, mit leichtem Paprika- und Pfeffernoten und dazu stellte sich ein leichter Bretanomyces-Ton – allerdings ohne Mäuseltöne – ein.

Durch den sehr dezenten und nicht störenden Bretanomyces-Ton wirkt das Tannin weicher, runder und fülliger. In diesem Fall kann man den zarten Bretanomyces-Ton auch nicht mehr als Weinfehler bezeichnen.

Wein Nr. 12:

Noch ein 2008’er Chardonnay aus dem Piemont, mit Barrique-Ausbau. Er zeigte sich sehr primärfruchtig mit leichtem Bananen-Ton, aber auch sehr hart und kantig in der Fruchtsäure. Ursache dafür war, dass die Trauben mit relativ viel Säure (6,1 g/l ) geerntet worden waren. Nach der Vergärung und einem malolaktischen Säureabbau hatte der Wein dann aber zu wenig Säure und wurde durch Weinsäure- und Ascor­binsäurezusatz wieder auf 5,5 g/l gebracht. Und so fehlte die Harmonie zwischen Frucht und Säure.

Wein Nr. 13:

Das war mit der Nr. 13 kein böses Omen sondern die Belohnung für unverdrossenes Probieren. Es gab vom eigenen Hirschhornerhof einen 2009’er Riesling vom Buntsandstein mit 96°Oechsle von Hand geerntet. Ein Viertel der Trauben wurde abgebeert und mit den nicht abgebeerten Trauben 24 Std bei 20°C auf der Maische stehen gelassen. Dann wurde alles einschließlich der Schalen in Holzfässern über 5 Monat spontan vergoren und  abgepresst. Der Wein hat dabei eine malolaktische Gärung durchgemacht und wurde im Oktober 2010 nach leichter Filtration und sehr geringer Schwefelung abgefüllt. Die analytischen Werte sind 12,4% Alkohol, 4,5 g/l Restzucker, 6,9 g/l Säure und 31 g zuckerfreier Extrakt.

Diese Werte sagen natürlich nicht unbedingt etwas über den Geschmack des Weines, aber geben schon eine Hinweis auf die besondere Qualität: Weiche, zart cremige und elegante Frucht, weiche, aber nicht breite Fruchtsäure  insgesamt ein ungewöhnlicher Wein mit dichter, aber nicht breiter Frucht, der seine Eleganz behalten hatte. Das war kein „Mainstream-Wein“ aber sehr interessant und natürlich absolut fehlerfrei.

Wir hatten einen anstrengenden, aber interessanten und informativen Abend hinter uns. Dieses mal waren nicht alle Abweichungen vom Normalen (d.h. Fehler) so dominant, dass alle Weine ungenießbar geworden wären. So z.B. der Müller Thurgau und der Cabernet Franc, die ins Extreme abgewichen, aber durchaus ihren Reiz hatten.

Damit zeigte sich wieder, dass Wein kein Naturprodukt sondern ein Kulturprodukt ist.

Für diese Erkenntnis, die im Laufe des Abends durch die aufgeführten Bespiele untermauert worden war, möchten wir uns noch einmal bei unserem Referenten bedanken.

Verfasser: DiIeter


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