11.03.2010 Weine aus Würzburg

Als Einstiegsprobe zu unserem diesjährigen Themenschwerpunkt „Fränkische Weine“ präsentierte uns unser Schatzmeister Axel Daub eine vergleichende Silvanerprobe von den 4 in Würzburg ansässigen wichtigsten Weingütern, nämlich dem Bürgerspital, dem Juliusspital, dem Staatlichen Hofkeller und dem Weingut am Stein der Familie Knoll.

Ganz durchgängig vergleichbar konnte diese Probe jedoch nicht angelegt werden, da nicht jeder der Betriebe einen Silvaner als „Großes Gewächs“ im Sortiment hatte und so zum guten Schluss doch noch ein Riesling ins Rennen ging. Hierzu nachher mehr.

Auch beim Jahrgang mussten zweimal Zugeständnisse gemacht werden und zwar bezeichnenderweise beim Staatlichen Hofkeller, der im Spätlesebereich und bei den „Großen Gewächsen“ seine 2008er Weine noch nicht abgefüllt hatte. Hier kamen zwei Weine aus 2007 zur Anstellung.

Auch war es schwierig, wie Axel Daub erläuterte, von jedem Betrieb einen aus derselben Einzellage stammenden gleichwertigen Wein derselben Qualitätsstufe zu finden. So konkurrierten in der Qualitätsstufe Kabinett drei Weine aus der Einzellage „Am Stein“ mit zwei Weinen jeweils aus der Einzellage „Innere Leiste“ und „Abtsleite“, was den Vergleich aber nicht uninteressant machte. Im Gegenteil.

Bei den Spätlesen begegneten uns gar drei Silvaner aus ganz unterschiedlichen Lagen, nämlich dem „Stein“, der „Inneren Leiste“ und dem „Pfaffenberg“.

Diese sollten anschließend noch getoppt werden durch vier „Große Gewächse“, von denen nun wirklich drei aus ein und derselben Lage, dem „Würzburger Stein“, stammten – nur der Letzte, der Riesling nicht. Siehe oben! Dieser kam aus der Einzellage „Innere Leiste“.

Welches Weingut würde uns wohl mit seiner Vorstellung von einem typischen Silvaner überzeugen können? Würde es vielleicht einer der leichteren Kabinettweine sein?

Obwohl: zwei der fünf Kabinettweine kamen schließlich auch schon mit 13% Vol. Alkohol daher. Und auch bei den anderen Kabinettweinen war sicher die ein oder andere abgestufte Spätlese darunter.

Oder können doch nur die „Großen Gewächse“ überzeugen?

Zu den Weingütern selbst sind allerdings auch noch ein paar Anmerkungen erforderlich, denn schließlich haben wir es hier beim Bürgerspital, beim Juliusspital und beim Staatlichen Hofkeller mit drei Giganten des deutschen Weinbaus zu tun.

Beim „Weingut Bürgerspital zum Heiligen Geist“ –so heißt es genau- handelt es sich mit 110 ha immerhin um das viertgrößte Weingut Deutschlands. Gegründet 1316 durch eine private Stiftung des Würzburger Patriziers Johann von Steren, der sein Anwesen in der Semmelstraße 2 für die Aufnahme von Pflegebedürftigen, von an Gebrechen Leidenden und von hungernden Armen -alle mussten christlichen Glaubens sein- öffnete. Zunächst „Neues Spital“ genannt, hieß es ab dem 16. Jahrhundert „Bürgerspital zum Heiligen Geist“. Die Schenkung von Weinbergen an das Stift ist bereits seit 1321 beurkundet, wobei zunächst noch für den eigenen Bedarf produziert wurde. Doch schon bald konnte das Stift mit den Reberträgen, den Erträgen aus der sonstigen Landwirtschaft und den Erträgen aus Vermögensverwaltungen seine wohltätigen Unternehmungen finanzieren.

850 Seniorinnen und Senioren leben heute in neun bürgerspitälischen Wohn- und Pflegeheimen. Sie lassen sich betreuen, pflegen und geriatrisch therapieren und täglich wird ihnen noch heute ¼ ltr Wein zugestanden.

Der Rebsortenspiegel dieses Weingutes setzt sich wie folgt zusammen: 33% Riesling, 29% Silvaner, 12% Müller-Thurgau, 6% Kerner, 4% Bacchus und 15% weiße und rote Burgundersorten (1% sonstige). Von den 110ha liegen allein 28ha in der Top-Einzellage „Würzburger Stein“ (Muschelkalk-/Gipskeuperboden). Der Durchschnittsertrag beläuft sich auf 61 hl/ha und die Produktion auf ca. 850.000 Flaschen. Da dieses Weingut schon früher als „primus inter pares“ unter den Würzburger Weingütern gehandelt wurde, waren wir besonders gespannt, ob die Weine auch heute noch diesem hohen Anspruch gerecht würden, zumal bei den Weinen aus 2007 –zwar nicht in der Spitze, aber bei den einfacheren Gewächsen- von der Weinöffentlichkeit ein paar Durchhänger festgestellt wurden.

Denn große Konkurrenz in weinbaulicher Hinsicht ist dem Bürgerspital durch das Weingut Juliusspitals erwachsen, mit 172 ha Rebfläche noch größer als das Bürgerspital und damit eines der größten Weingüter Deutschlands. Die Grundsteinlegung des Stifts geschah laut Urkunde vom 12.03.1576 durch Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn. Reiner Zufall, dass wir genau einen Tag vor diesem „Geburtstag“ u.a. mit Weinen des Juliusspitals unsere Probe von Weinen aus Würzburg abgehalten haben; immerhin schon 434 Jahre nach Gründung des Spitals. Man wird nachdenklich bei solchen Zeitzahlen… .

Heute, in Form einer Stiftung des öffentl. Rechts mit dem gleichen Widmungszweck wie das Bürgerspital, betreibt das Juliusspital neben dem Weinbau auch noch anderweitig Landwirtschaft auf ca. 1000 ha und besitzt zudem noch 3.500 ha Wald. Um beim Rebbau zu bleiben: der Sortenspiegel des Weingutes setzt sich hier wie folgt zusammen: 43% Silvaner, 20% Riesling, 17% Müller-Thurgau, 4% Spätburgunder, 16% sonstige Rebsorten. Der jährliche Durchschnittsertrag liegt bei 63 hl/ha und die Produktion bei ca. 1 Mill Flaschen. Die Böden der Weinberge bestehen je nach Einzellage aus Muschelkalk bzw. Gipskeuper (s.o. Bürgerspital), sowie aus Buntsandstein und humosem Lehm.

Zu den weiteren großen Weingütern aus Würzburg muss man auf jeden Fall den Staatlichen Hofkeller Würzburg zählen, zumal es sich hier um das älteste Weingut Deutschlands handelt. Hier passt der Superlativ, geht doch die Entstehung des Weinkellers auf das Jahr 1128 zurück, in dem der amtierende Erzbischof Embricho als Gegengabe zu einer Schenkung seinerseits in den Besitz eines Hofes und von „Weinbergen am Stenbach“ kam. Über die Säkularisierung (1814: „Königlich Bayrischer Hofkeller“) und das Ende der Monarchie (1918) wandelte sich das Anwesen zum „Staatlichen Hofkeller Würzburg“. Mit 120 ha Rebfläche gehört dieses Weingut sicherlich heute zu den ganz Grossen in Deutschland, zumal 1952 darin noch die Staatl. Lehr- und Versuchsanstalt Veitshöchheim mit der Bayr. Hauptstelle für Rebenzüchtung und das Staatsweingut aufgegangen sind.

Der eigentliche Weinkeller befindet sich unterhalb des Würzburger Residenzschlosses -Stichworte: Balthasar Neumann (Treppenaufgang); Tiepolo (Fresken); Weltkulturerbe seit 1981 – und hat einen Holzfasslagerraum für ca. 600.000 ltr Dabei umfasst er eine Gesamtgrundfläche von 4557 qm. Auch bei diesem Weingut dürfen wir nicht den Rebspiegel vergessen, der sich wie folgt zusammensetzt: 27% Silvaner, 25% Riesling, 15% Müller-Thurgau, 9% Spätburgunder, 5% Rieslaner, 4% Domina und 15% sonstige Sorten. der Boden seiner Einzellagen umfasst Urgestein, roter Buntsandstein, Muschelkalk, Keuper, Löss und Terrassensande des Mains. Der Durchschnittsertrag. liegt bei 60 hl/ha und die Jahresproduktion bei ca. 850.000 Flaschen.

Der „Kleinste“ im Bunde mit seinen hier angestellten Weinen war schließlich das „Weingut Am Stein“ der Familie Knoll. Mit „nur“ 24 ha Rebfläche kann es wirklich als klein bezeichnet werden im Vergleich zu den drei anderen Weingütern. Ursprünglich als Küferei gegründet (1890), wandelte der Betrieb sich im Laufe der Jahre in einen Winzerbetrieb um und bewirtschaftet seine Rebberge seit 1981 nach den Richtlinien zur Erzeugung ökologischer Trauben. Zitat: „Wir unterstützen die Biodiversität, indem wir eine Vielfalt von Begleit-Pflanzen wieder in unseren Weinbergen ansäen. Dadurch besiedeln mehr Nützlinge den Weingarten und die Bodenfruchtbarkeit wird gefördert. Dies erzeugt eine harmonisierende und belebende Wirkung auf die Lebensprozesse im Boden und in den Pflanzen. Die Vitalität der Reben wird gestärkt. Sie sind dadurch resistenter gegen Schädlinge und Krankheiten. Das biologische Gleichgewicht im Weinberg stellt sich ein. Und diese harmonische Balance zeigt sich auch im Wein.“Der Rebspiegel dieses Weingutes sieht wie folgt aus: 28% Silvaner, 18% Müller-Thurgau, 15% Riesling 12% Spätburgunder, 8% Grauburgunder, 8% Scheurebe, 6% Weissburgunder und 5% sonstige Rebsorten. Der Durchschnittsertrag beträgt 64 hl/ha und die Produktion liegt bei ca. 190.000 Flaschen.

Neben der Mitgliedschaft im VdP, was auf alle vier hier vorgestellten Weingüter zutrifft, ist das Weingut Am Stein auch noch Mitglied in der Winzervereinigung „Frank und Frei“, die sich besonders einem neuen Erscheinungsbild des Müller-Thurgau verschrieben haben.

Heute ging es uns allerdings um den Silvaner als vergleichbare Rebsorte und so starteten wir mit den ersten 2 Kabinettweinen im Glas, einem „Würzburger Stein“ vom Bürgerspital und einem Silvaner aus derselben Lage vom Weingut Am Stein, beide aus dem Jahr 2008.

Beim ersten Wein hatten die meisten Teilnehmer nicht unbedingt den Eindruck, dass dieser Wein zu den sog. fränkisch-trockenen Weinen gehörte, obwohl nach der Analyse dieser Tropfen mit nur 3,5 g/RZ daher kam. Bei nur 5,9 g/S bescheinigten ihm viele Teilnehmer eine gewisse Cremigkeit und vom Gesamteindruck her tauchte schon hier zum ersten Mal die Frage nach einer abgestuften Spätlese auf. Analytisch mit nur 11,5% Alk ausgestattet, hätte man diesen Wein eher als sog. Leichtwein eingestuft und er wäre somit zumindest von daher als Kabinettwein anzusehen gewesen. Aber wir trinken ja nicht die Analyse…..

Demgegenüber stand ein schöner duftiger und im Abgang fruchtbetonter (weiße Früchte; Apfel, Birne) und mineralischer (Feuerstein) Silvaner vom Weingut Am Stein im Glas. Ausgebaut im Stahltank, hatte er seine Frische bewahrt und kam sogar etwas reduktiv rüber; kaltvergoren? War es vielleicht auch die unterschiedliche Verschlussart der Flaschen –der erste mit klassischem Korken der zweite mit Glasverschluss- die hier eine unterschiedliche Entwicklung der Weine in der Flasche andeutete? Schließlich hatten beide Weine ja schon ein Jahr auf der Flasche hinter sich.

Als Single passierte der Silvaner vom Staatlichen Hofkeller die Runde. Er überraschte gegenüber den Vorgängern mit mehr Biss, wurde aber im Glas zunehmend glatter und runder und präsentierte sich außerdem mit etwas weniger Mineralik als die vorangegangen Weine. Analytisch besaß dieser Wein zwar die bisher höchste Säure von 6,3 g/ltr, im Gegenzug allerdings auch den höchsten Restzuckergehalt von 6,0 g.

An dieser Stelle erstirbt die –nachträgliche- Weinansprache für das Probenprotokoll schon in der Feder… .

Denn bei diesen ersten 3 Weinen deutete sich an, wie sehr die Einschätzung der Weine unter den Teilnehmern auseinander driftete. Schwankungen bis zu 3 Punkten wurden bereits jetzt ausgemacht – und es kam noch schlimmer! War den einen der Wein zu duftig, ja parfümiert, straften andere ihn ab weil: zu cremig, alkoholisch süß, sättigend. Es ging hin und her. Bei drei weiteren Weinen lagen die Unterschiede in den Punkten bei 3,5, bei 7 weiteren Weinen betrug der Unterschied zwischen 2,5 und 3 Punkten und den Vogel schoss das „Große Gewächs“ Riesling, Jhg. 2008, aus der Lage „Würzburger Innere Leiste“ vom Weingut Am Stein ab, bei dem eine Punktedifferenz von sage und schreibe 5 Punkten festgehalten wurde, eine Differenz, die seit Protokollierung unserer Proben noch nie ausgemacht wurde – die Fälle mal ausgenommen, in denen jemand einen Wein überhaupt nicht bewertete, weil er mit diesem Wein mangels Erfahrung nichts anfangen konnte.

Lag es vielleicht an dem fränkischen Silvanertypus, der von uns nicht richtig eingeschätzt wurde oder was war der Grund für die starken Bewertungsunterschiede? Vielleicht sind wir zu sehr am Rheinhessen Silvaner ausgerichtet. Sicher nicht am „RS“, aber wir erinnern uns vielleicht noch an die vor Jahren stattgefundene Vergleichsprobe von Selektionsweinen mit Silvaner zwischen Rheinhessen und Franken, gesponsert vom Silvaner-Forum. Auch hier ging –wenn auch nur knapp- der Rheinhessen-Silvaner als Sieger aus dem Verkostung hervor… .

Die 5-Punkte-Differenz –auch wenn sie an einer Einzelbewertung aufgehängt werden muß- ist fast nicht hinzunehmen, bei aller Wertschätzung des Betroffenen. Aber das Gesamtproblem bei der Benotung in dieser Probe wird dadurch nicht besser, wenn wir diesen absoluten Ausreißer unberücksichtigt lassen. Denn auch dann bestand bei diesem „Großen Gewächs“ immer noch eine Punktedifferenz von ganzen 3,5 Punkten.

Gehen wir alle noch einmal in uns und lernen wir den Umgang mit fränkischen Weinen im Allgemeinen und mit fränkischem Silvaner im Besonderen im Laufe dieses Jahres. Schon bei der nächsten Probe mit einem Gastwinzer darf uns dies nicht noch einmal passieren.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen für die kommenden Tage eine umfangreiche Vermehrung der sensorischen und theoretischen Weinkenntnisse – sei es auf der ProWein oder auch privat zuhause-, auf dass Herr Hugo Brennfleck mit guten Eindrücken ins Frankenland zurückkehren kann.

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Wer dennoch rückblickend die Weinansprache noch einmal vor seinem geistigen Auge revuepassieren lassen möchte, der vergleiche doch bitte mal seine eigenen Notizen mit den Anmerkungen aus den von Axel Daub so fleißig zusammengestellten Unterlagen, in denen zu fast jedem Wein eine Anmerkung –sei es vom Erzeuger selbst, der Presse oder anderen Dritten- zu finden ist.

Deckungsgleich?..Oder: „Paßt scho!“……

Vielleicht sollten wir noch nachtragen, dass die Weine Nr. 4 und 5 –beides Weine des Juliusspitals- wenigstens nach dem Preis-Genuss-Verhältnis einhellig die Nase vorne hatten, egal wie die Einzelbewertungen jetzt ausgefallen waren. Damit und auch im Folgenden wurde die Frage (s.o.) beantwortet, wer denn heute als der „primus inter pares“ unter den Würzburger Weinbaubetrieben anzusehen ist.

PS: Lieber Axel, gib nicht auf!

 

Verfasser: Wolfgang Klug

Probenergebnis 11.03.2010: Weine aus Würzburg (PDF)

 


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