Wie so oft in den vergangenen Jahren war die Dezemberprobe großen Rotweinen vorbehalten. Und da Italien als Schwerpunktthema für ausländische Weine in diesem Jahr vorgegeben war, lohnte es sich, einmal einen Blick auf die großen Weine des Piemonts zu werfen. Nicht umsonst wird schließlich der Barolo als der König der Rotweine bezeichnet.
Unser Bruderschaftsmeister, Dr. Dieter Ockelmann, hatte die schwierige Aufgabe übernommen, uns einen repräsentativen Querschnitt an piemonteser Weinen zu präsentieren. Schwierig insofern, weil doch möglichst alle wichtigen roten Rebsorten vertreten sein sollten (Dolcetto, Babera und Nebbiolo), ferner wenigstens einer der wenigen qualitativ besseren Weißweine, wie z.B. der Arneis aus dem Roero-Gebiet. Schließlich sollte es auch noch etwas Prickelndes sein: ein Moscato d’Asti der besseren Art, als man ihn hier bei uns landläufig im Handel bekommt.
Alle diese von Dieter sich selbst auferlegten Vorgaben hat er mit Bravour erfüllt, beginnend mit dem Arneis der Az. Agr. Carlo Deltetto aus dem Jahrgang 2008 mit Sitz im Ort Canale. Dieser Wein – ein von Dieter und seiner Käthe bei den jährlichen Piemontbesuchen als Apero getrunkener Einstiegswein- konnte auch uns mit seiner –jahrgangsspezifischen- säurebetonten Frische verführen und öffnete unsere Geschmackspapillen für die kommenden Roten. Welchen Stellenwert die Weine aus dieser Rebsorte im Piemont einnehmen, kann man vielleicht ablesen anhand der Synonyme, die es für diese Rebsorte gibt, nämlich u.a. Nebbiolo Bianco. Liebhaber dieses Weines nennen ihn sogar den „Barolo Bianco“. Dabei wäre er beinahe ausgestorben, nachdem er vor langer Zeit nur noch als süßer „Passito“ hergestellt wurde oder den dunklen Baroloweinen als Verschnittpartner dienen durfte. Einmal mehr steht die Weinwelt bei dem Winzer Bruno Giacoso in der Schuld, weil er dafür gesorgt hat, dass dieser Weißwein heute wieder einen wichtigen Stellenwert einnimmt und auf ca. 575 ha vertreten ist, und das, obwohl er relativ ertragsarm und damit nicht unbedingt des Winzers Liebling ist.
Dann aber ging es los mit den Rotweinen. Wir stiegen ein mit einem Dolcetto di Dogliano „Vigna Tecc“ von der Poderi Luigi Einaudi Srl. aus dem Jahr 2006. Mit 35 ha Rebfläche gehört dieser Erzeuger zu den größeren der in dieser Verkostungsrunde kennen gelernten Winzer. Diesem gefälligen fruchtig-frischen Dolcetto folgten noch zwei weitere Dolcetti aus dem Jahrgang 2003 und zwar von der Cascina Flino aus Diano d’Alba, einem kleinen Erzeuger mit nur 3,5 ha bewirtschafteter Fläche, der seine Wirtschaftlichkeit nur durch Traubenzukauf aufrechterhalten kann, sowie ein Dolcetto „Sori Le Cecche“ von der Az.Agr. Le Cecche, Besitzer Jan Debryne, ein holländischer Quereinsteiger. Das erst in 2001 gegründete Weingut mit 5 ha Rebfläche produziert im Jahresdurchschnitt ca. 30.000 Flaschen. Beide Vertreter ihrer Sorte belegten eindeutig, dass die Piemonteser keine Rotweine für „Weicheier“ produzieren: sehr adstringierende, harte Tannine, die die Schleimhäute im Mund reizten. Da braucht der Wein noch etwas Reifezeit, auch wenn doch schon leichte Schokoladentöne erkennbar waren, die auf eine weichere Zukunft hoffen ließen. Beide Weine waren noch sehr verschlossen.
Dann stiegen wir auch schon um auf Barbera. Nach einem 2004er Barbera „ Flin“ von der Cascina Flino, Besitzer Paolo Monte in Diano d’Alba, der nicht so ganz überzeugen konnte (einerseits „schöne Nase“, „Gewürznoten“, andererseits „Nagellackton“) folgte ein eher harmonischer Vertreter aus dem Jahr 2003 von der Az.Agr. Giacomo Vico, einem im Roerogebiet – wieder in Canale – ansässigem Weingut. Mit diesem Wein überschritten wir erstmals die 15 Punkte Durchschnittsnote, weil er ganz sicher auch den Jahrgangsbonus mit ins Glas brachte. Ein schöner runder Stoff.
Zurück in das 20. Jahrhundert: wir tranken nun einen 1999er Barbera „Naunda“ von der Az.Agr. Bric Cenciurio, Besitzer Fiorella Pittatore und Carlo Sacchetto. Hier nun merkte man schon sein vergleichsweise hohes Alter. Er war schon etwas gezehrt. Eine deutliche Altersnote war erkennbar. Eine große Zukunft hatte dieser Wein nicht mehr, was man sogar im Glas verfolgen konnte. Aber auch für solche Weine gibt es Liebhaber und so verwundert es nicht, dass dieser Wein im Durchschnitt sogar noch besser bewertet wurde als der Vorgängerwein.
Daran anschließend wandten wir uns nun der Nebbiolotraube zu, vertreten durch einen Nebbiolo d’Alba „Tardiss“ aus 2003 von der Az.Agr. Fratelli Abrigo, aus Diano d’Alba. An diesem Wein wurde auch die Diskussion in unserer Runde über die Traditionalisten und die Modernen unter den Winzern aufgehängt. Nicht dass es zu einer Fraktionsbildung gekommen wäre, nein, Dieter klärte lediglich diejenigen auf, die über die unterschiedlichen Ausbaumethoden noch nicht so informiert waren. Damit konnte jeder für sich entscheiden, welche Ausbauart ihm entgegen kommt.
Es folgte noch ein Langhe Nebbiolo „Perbarco“ von der Cantina Vietti in Castiglione Faletto aus dem Jahr 2005. Bei diesem Wein handelte es sich um einen der einfacheren Weine aus dem Hause Vietti, der dennoch zu beeindrucken wusste. Noch sehr jung und frisch im Eindruck. Dekantieren tat ihm gut, die Tannine wurden unter der Sauerstoffzufuhr etwas aufgebrochen, der Wein wurde weicher, ja man kann sagen: er war bereit zum Kauen. Wenn man es denn so ausdrücken möchte: ein schöner einfacher Nebbiolo, bei dem man ins Schwelgen und Erzählen kommen konnte. So war es nicht verwunderlich, dass an dieser Stelle Käthe und Dieter Anekdoten und Histörchen von ihren Urlaubsfahrten in das Piemont zum Besten gaben.
Die letzten 3 Rotweine bedeuteten noch einmal Arbeit, aber eine, der man sich gerne unterzieht, wenn es um das Goutieren edler Rotweine geht, denn jetzt ging es um
– einen Barolo –„Coste di Rose“ aus 2004, nochmals vom Weingut Bric Cenciurio (s. o.)
– einen Barbaresco –„duemillecinque“ (Jahrgang 2005) von der Az.Agr.Albino Rocca und
– einen Nebbiolo aus dem Roero, –„Rocche d’Ampsej“ 2003 von der Az.Agr. Matteo Correggia, abermals mit Sitz in Canale. Das muss ein begnadetes Fleckchen Erde da oben im Norden des Roero sein.
Da hatten der Barolo und der Barbaresco schon gut mit Körper und Dichte beeindruckt und ein entsprechend gutes Punktekonto angehäuft, kommt doch noch ein Nebbiolo aus dem Roero daher und straft alle Vorgänger ab! Das war der Knaller, voll, fast breit –was ja beim Rotwein nichts Negatives ist – komplex, Amarenakirschenaroma (Stichwort „Ferrero“ machte die Runde), äußerst nachhaltig am Gaumen mit langem Abgang. „Ein sinnlicher Wein“ sagte jemand der Teilnehmer. Das traf es exakt!
Jetzt konnten wir eigentlich nur noch „abhängen“ und zwar bei einem erfrischenden Gläschen Moscato d’Asti. Man möchte doch so gerne seine eigenen Vorurteile pflegen. So schauten die meisten in unserer Runde erst einmal skeptisch der Flasche entgegen, die da auf sie zukam. Aber unser Bruderschaftsmeister, durch viele Piemontreisen gestärkt, wusste, was sich gehört und so hatten wir schließlich eine „Vendemmia Tardiva“ von einem Moscato d’Asti (Gelber Muskateller) im Glas, eine Fruchtbombe die gut gekühlt auch den stärksten durch Tannin geschrumpelten Gaumen wieder glättete. Ich muss es zugeben: einer meiner liebsten Süßweine (Schaumweine inklusive), für mich unverzichtbar bei fruchtbetonten Desserts. Ein Genuss und eine Erfrischung zugleich. Zum Mitschreiben: ein Produkt der Cascina Fonda der Brüder Marco und Massimo Barbero in Mango.
Diesen Schaumwein haben wir zwar nicht bewertet. Ich kann deshalb nur für mich sprechen: lecker! Blumenstrauß, Fruchtbombe, ohne pappige Süße!
Das war unsere letzte Probe in 2009. Dieter sei Dank für die Moderation und Käthe hat sicher auch auf den Reisen ihren Anteil an der Beschaffungslogistik geleistet, da bin ich mir sicher. Auch dafür herzlichen Dank.
Verfasser: Wolfgang Klug