Weinprobe Ungarn, Tokaj mit trockenen und süßen Furmintweinen am 18.10.2018

Das Weinanbaugebiet Tokaj liegt zum großen Teil (etwa 90 %) in Nord-Ungarn, die übrigen 10% der Süd-Slowakei. Namensgebend ist die alte ungarische Stadt Tokaj. Das 87 Kilometer lange und drei bis vier Kilometer breite Tokajer Weingebiet erstreckt sich zwischen den Flüssen Theiß und Bodrog am Fuße des Tokajer Gebirges. Im Jahre 2002 wurde der ungarische Teil des Weinbaugebiets von Tokaj als Kulturlandschaft in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Angebaut werden ausschließlich weiße, spät reifende Rebsorten:
Furmint ist vermutlich eine autochthone Sorte Ungarns. Erstmals in Ungarn erwähnt wird sie 1623. Zu ihrer Herkunft gibt es bisher keine Belege, aber viele Vermutungen und Geschichten. Zu den bekanntesten zählt, dass die Rebe von italienischen Einwanderern unter König Béla IV. im 13. Jahrhundert nach Ungarn gebracht wurde. Eine andere, etwas plausiblere Erklärung besagt, dass sie im 17. Jahrhundert von der venetischen Prinzessin Formentini mitgebracht wurde. Heute stellt der Furmint 70 % der bestockten Rebfläche im Weinbaugebiet Tokaj. Obwohl die jährlich erzielbaren Mostgewichte ausreichend hoch sind, um Weine mit einem Alkoholgehalt von 14 Volumenprozent oder mehr zu erzielen, bewahrt die Rebsorte eine eher kräftige Säure. Die Weine zeigen eine komplexe Aromatik mit Fruchtnoten (Apfel, Birne, Limette Quitte, Pfirsich, Aprikose) aber auch mineralische und kräutige Noten sowie Anklänge von Feuerstein
Die Rebsorte Hárslevelü (Lindenblättriger) bringt ihre Duftigkeit in den Verschnitt ein. Im Tokajer Weinbaugebiet verfügt die Sorte über einen Anteil von fast 25 %. Sie zeigt eine mehr blumige (Holunder, Pollen) Aromatik mit würzigen und rauchigen Noten
Gelber Muskateller: Die früher reifende Sorte wird in Tokaj nur selten sortenrein zum Tokaji Muscat ausgebaut.
Zéta ist eine Neuzüchtung aus Ungarn aus dem Jahr 1951 aus den Sorten Furmint und Bouvier. Bis in das Jahr 1999 wurde die Sorte Oremus genannt. Sie reift früher als der Furmint, wird aber leicht von der Edelfäule befallen. Die bestockte Rebfläche der 1990 zugelassenen Sorte bei nur einem Prozent.
Der trockene Tokaj eine relativ neue Entwicklung in der Region. Seit den 2000ern setzen mutige Winzer auch auf trockene Weine: Ein gereifter Furmint kann international etablierten Sorten wie Riesling oder Chardonnay aus den besten Weißweinen Regionen wie Rheingau, Mosel oder Burgund durchaus die Stirn bieten. Jahre Die Weine zeigen eine große Mineralität, Komplexität, Struktur und sind für ihre Haltbarkeit bekannt.
Neben den trockenen ausgebauten Weißweinen ist Tokaj natürlich für seine außergewöhnlichen Süßweine bekannt. Hier kann man verschiedene Varianten unterscheiden:
Szamorodni: Das Wort Szamorodni (auf deutsch “ebenso wie er gewachsen ist‘), kommt aus dem Polnischen und bezeichnet eine Tokajer Weinspezialität. Im Unterschied zum Aszú werden die Trockenbeeren nicht selektioniert, d. h., es werden die ganzen Trauben verarbeitet. Diese bestehen aus Beeren ohne und mit Botrytis-Pilz, also aus geschrumpften (konzentrierten) und nicht konzentrierten Beeren. Wie bei der Herstellung von Aszú werden die Fässer nur zu etwa vier Fünfteln mit Wein gefüllt, so dass sich ein Hefe-Film bildet, unter dem der Wein reift. Nach zweijähriger Fassreife und anschließender einjähriger Flaschenreifen darf der Wein vermarktet werden.
Late Harvest (késői szüretelésű): Bezeichnung für rebsortenreine Süßweine mit intensiver, konzentrierter Frucht, die nur in besonderen Jahren erzeugt werden. Sie werden entweder gezielt aus Botrytis-Trauben oder bewusst ohne Botrytis-Trauben hergestellt. Der Ausbau erfolgt reduktiv. Solche Spezialitäten sind sowohl in der Süßegradation als auch in ihrer geschmacklichen Komplexität und Dichte (je nach Jahrgang und Mostkonzentration) mit einer Auslese bis Beerenauslese vergleichbar. Der Restzuckergehalt liegt zwischen 50 und 180 g/l.

Tokaji Cuvée: Hersteller wie István Szepsy oder Pstricius produzieren in manchen Jahren hochwertige Premiumweine, die reduktiv, also nicht nach den weingesetzlichen Àszu-Vorschriften hergestellt werden und daher als Tokaji Cuvée vermarktet werden.

Tokaji Aszú (deutsch „Tokajer Ausbruch“): Für die Herstellung des Aszú werden zwei Komponenten verwendet: Grundwein und edelfaule, rosinenartig geschrumpfte Trauben. Der Grundwein wird aus Trauben hergestellt, die nicht von Edelfäule befallen wurden. Er muss einen hohen natürlichen Alkoholgehalt haben, der den Wein auch ohne Schwefelzugabe stabilisiert. Edelfaule, geschrumpfte Trauben bestehen aus Beeren, bei denen der Schimmelpilz Botrytis cinerea die Beerenhaut perforiert hat. Der Prozess der Edelfäule wird durch einen feuchten Sommerausklang gefördert, an den sich, je nach Witterungsverlauf, vier bis fünf sonnige Herbstwochen anschließen können. Während der Lese, die üblicherweise Anfang November stattfindet, werden die edelfaulen Trauben gesammelt und in Behältern aufbewahrt. Anschließend werden sie zu einer süßen teigartigen Masse geknetet, die mit dem Grundwein vermengt und dann 24–36 Stunden gemaischt wird. Dies ist ausschlaggebend für die besondere Qualität und Spezialität eines Tokaji Aszú.
Wie bei der Herstellung von Tokaji Szamorodni, Fino Sherry und Vin Jaune werden die Fässer nur etwa zu vier Fünfteln mit Wein gefüllt, so dass sich ein Hefefilm (Flor) bildet, der den Wein vor Luftsauerstoff weitgehend schützt und die Reifung und Veresterung des Weins beeinflusst.
Puttony (ungarische für Bütten, die ein Fassungsvermögen von 25 kg haben) sind das traditionelle Maß für die Menge an edelfaulen Trauben, die einem Grundwein beigegeben wird. Die Anzahl der „Puttony“ gibt das Verhältnis zwischen edelfaulen Trauben und Grundwein an. Bei 6 Puttonyos beträgt das Verhältnis etwa 1:1. Die Menge an Grundwein, dem ein Puttony zugegeben wird, beträgt 136,5 Liter. An die zweite Vergärung schließt sich normalerweise eine Holzfasslagerung an. Deren Dauer in Jahren entspricht meist der Anzahl der puttonyok, die dem Grundwein zugegeben wurden. Aufgrund veränderter Kellertechnologie werden diese Zeiten heutzutage jedoch oft nicht mehr eingehalten und der Wein deutlich früher verkauft.

* drei Butten = 75 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, 60 bis 90 g/Liter Restzucker
* vier Butten = 100 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, 90 bis 120 g/Liter Restzucker
* fünf Butten = 125 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, 120 bis 150 g/Liter Restzucker
* sechs Butten = 150 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, 150 bis 180 g/Liter Restzucker
* sieben Butten = Aszúeszencia, mind. 180–250 g/Liter Restzucker.

Tokaji Aszúeszencia (Tokajer Ausbruch-Essenz): Dies ist die höchste Kategorie von Aszú-Weinen. Das Verhältnis von Trockenbeeren zum Grundwein entspricht etwa einem siebenbuttigen Aszú. Der Restzucker liegt in der Regel bei etwa 200 g/l, also deutlich über dem Restzuckergehalt eines sechsbuttigen Aszú, doch unter den für eine Eszencia vorgeschriebenen 250 g/l. Somit markiert der Aszúeszencia den Übergang vom Aszú zur Eszencia. Neben der großen Süße besitzt der Aszúeszencia eine hohe Säure, die Alkoholwerte liegen zwischen 12 und 13 Prozent. Das ungarische Weingesetz verlangt eine zehnjährige Fassreife mit anschließender fünfjähriger Flaschenreifung, bevor ein Wein als Tokaji Aszúeszencia vermarktet werden darf. Resultat sind sehr ausgeglichene, komplexe Weine, die frühestens 15 Jahre nach ihrer Ernte in den Handel gelangen. Sie werden nur in besonderen Jahren hergestellt und besitzen eine nahezu unbegrenzte Haltbarkeit.

Tokaji Eszencia (Tokajer Essenz): Aus Aszú-Beeren wird nach der Lese der außergewöhnlichste Tokajer gewonnen, die Eszencia. Im Unterschied zum Tokaji Aszú und dem Aszú Eszencia entsteht die Eszencia ausschließlich aus dem Vorlauf von ungepressten Trockenbeeren. Dafür werden Aszú-Trauben in einem Behälter sorgfältig übereinandergeschichtet, wodurch sich allein durch das Eigengewicht der Trauben etwas Saft am Gefäßboden bildet. Dieser Saft hat eine sirupartige Konsistenz, teilweise an Honig erinnernd, mit einer sehr hohen Konzentration, Dichte, Geschmacksfülle und intensiver Säurestruktur, welche die große Süße balanciert. Der Zuckergehalt muss mindestens 250 g/l betragen, liegt aber bei Spitzenerzeugern oft über 600 g/l (bei über 20 Promille Säure). Aufgrund des hohen, konservierenden Süße- und Säuregehaltes ist es sehr schwierig, die Gärung in Gang zu bringen. Sie dauert oft mehrere Jahre und erreicht nur niedrige Alkoholgrade (ca. 6 Prozent). Von einem Hektar Rebland beträgt die durchschnittliche Erntemenge bei Spitzenerzeugern etwa 1 Liter Essenz. Sie wird oft in 0,1 l Flaschen abgefüllt.
Die von Ceca Madzarevic zusammengestellte Weinprobe fokussierte sich in den ersten beiden Dritteln auf die trockenen Weine des Tokaj mit dem Schwerpunkt auf sortenreinen Furmint (mit einen kleinen Ausflug zur Hárslevelü), um im letzten Drittel sich den klassischen, süßen Tokajern in drei Ausprägungen – Szamorodni, Cuvee, Aszú – zu widmen.

Begonnen wurde mit den trockenen Weinen

1.    2016 Chateau Dereszla, Furmint (11,5% alc.)
Schon dieser als Basiswein des Weinguts (30 ha) mit relativ geringem Alkoholgehalt im Stahltank ausgebaute Furmint, zeigt alle typischen Kennzeichen des trockenen Stils: Im Glas leicht gelber Wein mit in der Nase leichten Noten von Feuerstein, grünem Apfel und Zitrusfrüchten. Im Mund crisp, sehr mineralisch mit adstringierender Säure. Ein schöner Einstieg in die Probe

2.    2016 Oremus, Mandolás, Furmint (13,5% alc.)
Das Weingut im Besitz von Vega-Sicilia mit 82 ha Weinberge im Herzen des Tokaj baut den Mandolás – der Name kommt vom gleichnamigen Vulkangestein der Lage – im kleinen, neuen Eichenfass aus. Auch hier zeigt sich im Glas ein zartes gelb und in Mund und Nase deutlich süßliche Holztöne. Darüber hinaus zeigt der Wein Anklänge von Aprikosen und Lakritz. Vielleicht noch ein bisschen zu jung, um sein ganzes Potenzial schon zu zeigen

3.    2015 Bodrog, Várhegyi, Furmint (13,5% alc.)
Kleines Weingut. Die Reben für den Wein sind vergleichsweise jung (6 Jahre) und stehen auf Rhyolithgestein das überwiegend aus Quarz und Feldspat besteht (Daher auch die im deutschen noch gebräuchliche Bezeichnung von Quarzporphyr).Im Glas leichtes gelb und in der Nase wieder deutliche Noten des Feuersteins und leichte Apfelnoten. Ein sehr mineralischer Wein mit deutlich adstringierender Säure

4.    2015 Bodrog, Lapis, Furmint (13,0% alc.)
Bei Lapis stammt der Wein von über 40 Jahre alten Reben. Ein sehr mineralischer Wein, der aber im Mund etwas ölig, pappig wirkt. Deutliche süße Noten allerdings ohne starke Fruchtaromatik.

5.    2015 Royal Tokaji, Dülöválogatás, Furmint (13,0% alc.)
1990 gegründetes Weingut mit Weinpapst Hugh Johnson als Anteilseigner. Insgesamt 107 ha im Tokaj. Der Wein stammt aus zwei Lagen, der Szt. Tamás und der Nyulászó, beides vulkanische Lehmböden. In der Nase zeigt auch dieser Wein wieder deutliche Noten von Feuerstein, deren Intensität mit etwas Luft allerdings nachlassen. Im Mund mineralisch und fruchtig (Apfel, Aprikose) mit einer schönen Säurestruktur, die den Wein sehr harmonisch erscheinen lassen.

6.    2015 Gróf Degenfeld, Zomborka, Furmint (13,5% alc.)
In der Nase Feuerstein, im Mund sehr frisch mit deutlichen Aprikosen und Apfelnoten mit einem Hauch von Passionsfrucht. Schöne Säurestruktur.

7.    2015 Barta, Öreg Király, Furmint (13,5% alc.)
Der Wein wird 9 Monate in leicht bis mittel getoasteten ungarischen Eichenfässern gelagert (Mix aus Erst- Zweit-, Dritt- und Viertbelegung) gelagert und stammt aus einer der bekanntesten und steilsten Lagen des Tokaj. Bei diesem Wein überwiegen die Zitrusnoten (Grapefruit) gegenüber dem Apfel sowohl in der Nase wie im Mund. Dazu starke mineralische, fast schon steinige Noten, die mit etwas „Standzeit“ weicher werden.

8.    2016 Royal Tokaji, Betsek Hársevelü (13,5% alc.)
Laut Ceca ein typischer Vertreter seine Sorte, der 6 Monate im 300l Eichenfass (5te Belegung) gelagert wird. Mandel und Hönig mit Anklängen von Apfel und Johannisbeeren, ja sogar Curcuma.

Danach folgten 4 Süßweine unterschiedlicher Machart:

9.    2011 Megyer, Szamorodni édes (12,5% alc.)
In der Nase wieder deutlich Anklänge an Feuerstein mit süßlichen Noten. Im Mund Honig und Kräuter aber auch eine Schärfe und Bittertöne, wie ein gespritteter Wein. Erinnert an Oloroso Sherry.

10.    2013, Patricius, Tokaji Cuvee Katinka (12,0% alc.)
In der Nase ähnlich dem Megyer, wobei die Honigtöne noch stärker ausgeprägt sind. Die Schärfe und Bittertöne legen sich mit der Zeit, der Wein wirkt dann weicher und zeigt leichte Reifetöne.

11.    2013 Royal Tokaji, Aszú 5 puttonyos (11,0% alc.)
Ein sehr schön gemachter, klassischer Tokaji mit einem wunderbaren Süße-Säure- Spiel und schönen Noten von Rosinen.

12.    2009 Chateau Dereszla, Aszú 5 puttonyos (11,5% alc.)
In der Nase sehr zurückhaltend, im Mund sehr viele reife Noten, die aber etwas von den Alterstönen überdeckt werden. Im Abgang etwas flach.

Verfasser: Roger

2018_10_Tokaj Furmint Probenergebnis


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