Bei unserem ausländischen Thema Italien haben wir gleich mit einem Extrem begonnen, dem Aosta-Tal, das in Italien die kleinste politische Region wie auch das kleinste Wein-Gebiet ist. Das Aosta-Tal ist eine der drei autonomen Regionen Italiens, denn bis 1861 gehörte es zu Savoyen bzw. Frankreich und hat aufgrund dieser Vergangenheit auch Französisch als zweite Amtssprache.
Der Weinbau wurde schon vor den Römern von der dortigen Urbevölkerung betrieben. Allerdings ist aufgrund der klimatischen und geografischen Situation ein Weinbau nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich. So ist auch die Anbaufläche von ca. 3000 ha am Ende des 19.Jahrhunders auf heute etwa 486 ha geschrumpft. Die Weinberge ziehen sich beidseitig am Ufer der Dora Baltea über 90 km entlang auf einer Höhe zwischen 300m und 1200 m.
Das gesamte Aosta-Tal gehört weinbaumäßig zur DOC „Valle d’Aosta“ und wird in sieben Subbereiche untergliedert (von Süden nach Norden).
* Donnas – Südlichstes Anbaugebiet
* Arnad-Montjovet – im Südosten
* Chambave im Osten
* Nus – sehr kleiner Anbaubereich im Nordosten
* Torrette –die größte Region um Aosta
* Enfer d’Arvier im Nordwesten
* Morgex-La Salle im äußersten Nordwesten auf 900m bis 1200m
Die Rebsorten:
Weiß:
Petit Arvin
Nus Malvoisie (lokale Variante von Grauburgunder )
Muscat Blanc
Prie Blanc
Daneben noch Müller Thurgau, Chardonnay u.a.
Rot:
Picotendro (Nebbiolo)
Petit Rouge
Vin de Nus
Fumin
Cornalin
Mayolet
daneben noch Spätburgunder, Syrah, Gamay, Freisa, Neyret, Dolcetto u.a.
Unsere Weinprobe startete im äußersten Westen mit Weißweinen und ging dann die Dora Baltea abwärts nach Süden, um mit den Rotweinen wieder nach Norden zurückzukommen.
Daher stammte der erste Wein aus der Unterregion Morgex – La Salle. Hier wir die Prie Blanc als autochthone Rebe angebaut. Aufgrund der kühlen Lageblieb sie von der Reblaus Katastrophe verschont und wird deshalb noch wurzelecht angepflanzt. Vor 20 Jahren wäre die dortige Winzergenossenschaft der einzige Vermarkter dieser Weine gewesen, aber heute vermarkten etwa 5 weitere Winzer ihre Weine selbst. Einer von Ihnen ist Ermes Pavese, von dem der 2014’er Blanc de Morgex stammte. Entsprechend der höhen Lage zeigte dieser Wein deutlich mehr Säure und eine etwas schlankere Struktur. Im Vergleich zu einer Verkostung im Vorjahr war der Wein allerdings schon viel weicher und reifer geworden.
Die nächsten vier Weine stammten von der Petit Arvin als wichtigster weißer Rebsorte des Aosta-Tals. Auch die Petit Arvin sie ist eine typische Traube des italienisch-schweizer Alpenraumes.
Der erste Wein, der 2014’er Petit Arvin, „Vigne Rovetta“ kam vom Weingut Grosjean. Obwohl er als Lagenwein ausgezeichnet war, präsentierte er sich recht leicht und einfach. Seit seiner Abfüllung im letzten Jahr hatte er schon deutlich an Frische und Klarheit verloren.
Der zweite Wein, der 2014’er Petit Arvin vom Weingut Les Cretes war dann klarer und frischer als sein Vorgänger und zeigte sehr zarte Anklänge an Holz. Das Weingut ist mit 25 h das größte private Weingut im Aosta-Tal.
Der dritte Wein, ein 2013’er Petit Arvin vom Weingut Chateau Feuilett zeigte mehr Struktur und Fülle aber auch Reife, da der Jahrgang 2013 das bessere Wetter hatte und daher reifere, vollere Wein gab.
Als Abschluss konnten wir den 2014’er Petit Arvin vom Weingut Elio Ottin verkosten. Er hatte die kräftigste Struktur aller vier Weine mit einem leichten Holz-Ton, war aber auch der teuerste dieser vier Weine. Elio Ottin baut erst seit 2007 die Weine selbst aus und gilt inzwischen als einer der besten Winzer im Aosta-Tal.
Mit dem 2012’er Nus Malvoisie der Winzergenossenschaft Crotta de Vergerons schlossen wir die Weißweine ab. Der Nus Malvoisie ist eine lokale Variante des Grauburgunders. Somit hatten wir auch einen recht runden, säurearmen Wein vor uns, der aber als 2012’er schon breitere Reifenoten zeigte und Frische verloren hatte. (Die Winzergenossenschaft scheint diese Weine immer recht spät in den Verkauf zu bringen, denn beim Kauf im Herbst 2015 war der 2012’er Petit Arvin der jüngste Jahrgang im Angebot).
Nun folgten die Rotweine.
Die Unterzone Arnad Monjevet liegt schon deutlich südlicher und tiefer. Daher ist hier der Einfluss des angrenzenden Piemonts deutlich zu spüren, und die Hauptrebsorte für die Rotweine ist der Nebbiolo, dessen lokale Variante Picotendro heißt.
Auch der nächste Wein war ein Nebbiolo, diesmal mit einem 15%igen Anteil an Freisa und Neyret, aus der südlichsten Subregion „Donnas“. Der 2012’er Nebbiolo „Napoleon“ der Winzergenossenschaft Donnas war deutlich voller und runder. Mit ihm hatten wir allerdings auch der Spitzenrotwein der Winzergenossenschaft vor uns.
Mit einer weiteren Rebsorte des italienisch-schweizer Alpenraumes, dem Cornalin, zogen wir wieder die Dora Baltea aufwärts. Die Rebsorte Cornalin ist eine natürliche Kreuzung zwischen den beiden Rebsorten Mayolet und Petit Rouge aus dem Aosta-Tal.
Der 2012’er Cornalin der Winzergenossenschaft Crotta de Vergerons war ein leichterer, fruchtiger Wein mit stärkeren Ledernoten und einem leichten Pfefferton.
Ganz anders präsentierte sich der 2013’er Cornalin vom Weingut La Source aus der Unterregion Torrette. Er war kräftiger und sehr fruchtig, was zu der Vermutung führte, dass hier mit der Mazeration Carbonique gearbeitet wurde. Dadurch schmeckte er gefälliger und weicher, was ihm zu einer besseren Bepunktung verhalf.
Aber wir waren mit unseren autochthonen Rebsorten das Aosta-Tal noch nicht am Ende.
Die wichtigste Rebsorte im oberen Teil des Aosta-Tals ist der Petit Rouge, der dunkelfarbene Weine mit reifem, weicherem Tannin und kräftiger Säure ergibt.
Der erste Wein aus dieser Rebsorte, der 2013‘er Torrette Superiore vom Weingut Chateau Feuilett präsentierte sich als frischer, recht weicher und runder Wein mit zartem Holz, während der 2013’er Torrette Superiore vom Weingut Feudo di San Maurizio sehr dicht und kräutrig daher kam. Er war noch etwas kantig, zeigte aber auch mehr Struktur. Dieser Wein wurde mit 10% Syrah verschnitten. (Die Bezeichnung Torrette Superiore steht für Weine die mindestens 1% mehr Alkohol haben als der normale Torrette)
Und noch eine weitere autochthone Rebsorte konnten wir verkosten. Die Rebsorte Fumin steht für dunkle Weine mit kräftiger Säure und härterem Tannin. Sie wurde deshalb früher nur für Cuvees verwendet. Erst seit etwa 10 Jahren hat man die Rebsorte kellertechnisch so im Griff, dass man auch gute reinsortige Weine daraus produzieren kann.
Das konnten wir bei dem 2013’er Fumin vom Weingut Elio Ottin erschmecken. Wir hatten hier einen dichten, gut strukturierten Wein mit zarten Kräuternoten und einem Hauch Süße vor uns. Das war mit Abstand der höchstbewertete Wein des Abends.
Damit waren wir auch am Ende der Probe angekommen. Wir hatten an diesem Abend Extrem-Weine aus einem ungewöhnlichen Gebiet mit eigenwilligen autochthonen Rebsorten verkostet. Die meisten dieser Weine sind so selten, dass sie bei uns in Deutschland nicht zu kaufen sind und mussten deshalb auch im letzten Herbst vor Ort besorgt werden.
Bei den Weißweinen zeigte sich, dass sie deutlich vom gewohnten, fruchtigen Geschmack der deutschen Weine abwichen und so die Bewertung schwer fiel. Bei den Rotweinen waren dann die Unterschiede zu den gewohnten Rotweinen nicht ganz so groß.
Einige Kurz-Informationen zu den Winzern und Winzergenossenschaften:
Pavese Ermes
Strada Pineta, 26, La Ruine; 11017 Morgex (AO)
4 ha, 30.000 Flaschen
Maison Vigneronne Frères Grosjean
Villaggio Ollignan, 1; 11020 Quart (AO)
7 ha
Les Crêtes
Loc. Villetos, 50; 11010 Aymavilles (AO)
25 ha, 200.000 Flaschen
Chateau Feuillet di Fiorano Maurizio
Loc. Chateau Feuillet, 12; 11010 Saint-Pierre (AO)
5 ha, 30.000 Flaschen
Elio Ottin
Fraz. Porossan Neyves, 209; 11100 Aosta (AO)
4 ha, 30.000 Flaschen
La Source
Loc. Bussan Dessous, 1; 11010 Saint-Pierre (AO)
6,5 ha
Feudo di San Maurizio of Vallet Michel
Fraz. Maillod, 44; 11010 Sarre (AO)
7 ha, 40.000 Flaschen
La Crotta di Vegneron
Piazza Roncas 2; 11023 Chambave (AO)
ca. 130 Mitglieder, 34 ha, ca. 220.000 Flaschen
La Kiuva
Fraz. Pied de ville 42; 11020 Arnad (AO)
Ca. 60 Mitglieder, 25 ha, 70.000 – 100.000 Flaschen
Caves Coopératives de Donnas
Via Roma 97; 11020 Donnas (AO)
26 ha, 150.000 Flaschen
Informationen zu diesen und weiteren Winzern: http://www.routedesvinsvda.it/en/index.cfm/producers.html
Verfasser: Dieter
Lageplan der Winzer Aostatal, Lage der Winzer